Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
Abendland eingefallen sind oder es bedroht haben. Unsere Hauptfeinde waren viele Jahre hindurch die muslimischen Sarazenen, und beim Kampf gegen sie sind die Mongolen häufig unsere Freunde und Verbündete gewesen.
    Seither haben Venedig und überhaupt ganz Europa von dem verstärkten Handel mit dem Osten, genau so, wie mein Vater und mein Onkel es beabsichtigt hatten, profitiert, und dieser Handel selbst wurde erleichtert durch die Kopien all der Landkarten von der Seidenstraße, die wir Polo mit heimgebracht haben. Infolgedessen sehe ich weiter keine Notwendigkeit, die recht alberne Behauptung aufrechtzuerhalten, Nicolò und Mafìo Polo hätten ganz Asien durchquert und wiederum durchquert, bloß um eine Herde Priester nach Khanbalik zu bringen. Auch habe ich in jenem anderen Buche nie ein Geheimnis daraus gemacht, daß ich, Marco Polo, gleichfalls im Auftrag des Khan Kubilai gehandelt, gereist und beobachtet und Karten gezeichnet habe. Hier will ich berichten, wie es dazu kam, daß der Khakhan so große Stücke auf mich gab, daß er mich mit solchen Missionen betraute.
    Zum ersten Mal zog ich seine Aufmerksamkeit auf mich bei dem Willkommensbankett an diesem ersten Abend. Um ein Haar jedoch wäre es soweit gekommen, daß Kubilai mir beinahe die Aufmerksamkeit erwiesen hätte, indem er nämlich den Befehl gegeben hätte, mich dem Liebkoser zu überantworten und ihm zu befehlen, mich mit meinem eigenen Schließmuskel zu erdrosseln.
    Das Festmahl fand in der größten Halle des Hauptpalasts statt, einer Halle, in der, wie ein Diener mir bei Tisch stolz erklärte, sechstausend Gäste auf einmal bewirtet werden konnten. Die hohe Decke wurde von gedrehten und gewundenen und mit Edelsteinen und Jade eingelegten Säulen getragen, die aus lauterem Gold zu bestehen schienen. Die Wände wurden abwechselnd von reichgeschnitzten Paneelen aus Holz und solchen aus fein gepunztem Leder gebildet. Darüber hingen persische qali und Rollbilder der Han sowie mongolische Jagdtrophäen. Zu letzteren gehörten die ausgestopften Köpfe fauchender Löwen und getüpfelter Pardel und großhörniger artak (»Marcos Schafe«) sowie große, bärenähnliche Tiere namens da-mao-xiong, deren präparierte Köpfe erschreckend schneeweiß waren und nur schwarze Ohren und schwarze Augenmasken aufwiesen.
    Diese Trophäen stammten vermutlich von den Jagden des Khakhan persönlich, denn seine Jagdliebe war berühmt, und er verbrachte jeden freien Tag im Wald oder auf dem Felde. Selbst hier, in diesem Festsaal, war seine Liebe zur männlichsten aller männlichen Beschäftigungen offenkundig, denn jene Gäste, die unmittelbar neben ihm Platz gefunden hatten, waren seine liebsten Jagdgenossen. Auf jeder Armlehne seines throngleichen Sessels hockte ein verkappter Jagdfalke, und an jeder der beiden Vorderbeine des Sessels war eine Jagdkatze angekettet, die sich chita nannte. So eine chita ähnelt dem gefleckten Pardel, ist nur viel kleiner und besitzt entsprechend längere Beine. Sie unterscheidet sich von allen anderen Katzen dadurch, daß sie nicht auf Bäume klettern kann -und vielleicht noch mehr dadurch, daß sie auf Befehl ihres Herrn bereitwillig jedes Wild hetzt und reißt. Hier jedoch saßen chitas wie Falken still da und nahmen nur hin und wieder höflich Leckerbissen an, die Kubilai ihnen eigenhändig reichte.
    An diesem bestimmten Abend waren keine sechstausend Personen versammelt, und daher war die Halle durch Wandschirme aus schwarzem, goldenem und rotem Lack abgetrennt, um einen intimeren Raum für weit weniger Menschen zu schaffen. Gleichwohl müssen immer noch an die zweihundert Gäste dagewesen sein, zu denen noch einmal so viele Diener sowie ständig wechselnde Spielleute und Artisten kamen. Atem und Körperausdünstungen so vieler Menschen sowie die köstlichen Dämpfe von den heiß aufgetragenen Speisen hätten an diesem Spätsommerabend die riesige Halle eigentlich mit Wärme aufladen müssen. Doch wiewohl die Wandschirme keinen Lufthauch hereinließen und sämtliche Türen geschlossen waren, ging unablässig eine kühle Brise durch den Raum. Erst viel später sollte ich erfahren, durch welch sinnreich einfache Mittel diese Kühle erreicht wurde. Doch zunächst gab es andere Geheimnisse in diesem Speisesaal, angesichts deren mir die Augen fast aus dem Kopf fiele n und die mich fesselten und mich mit Bewunderung erfüllten -und für sie fand ich nie eine annehmbare Erklärung.
    Da stand zum Beispiel in der Mitte der vielen Tische ein

Weitere Kostenlose Bücher