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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Hoden.«
    Nasenloch stieß unwillkürlich ein schmerzlich berührtes »Oh!« aus. Wütend starrte der Liebkoser ihn an.
    »Wenn ich nun fortfahren dürfte? Nach meiner Versenkung geht es folgendermaßen weiter. Ich greife wahllos einen Zettel aus dem Korb heraus, falte ihn auseinander und lese darauf, welcher Körperteil für die erste Liebkosung bestimmt ist. Nehmen wir an, es heißt: Kleiner Finger. Trete ich dann einfach wie ein Schlächter vor das Objekt hin und säble ihm den linken kleinen Finger ab? Mitnichten! Denn was mache ich, wenn später ein Zettel mit derselben Aufschrift auftaucht? Infolgedessen treibe ich beim ersten Mal vielleicht nur eine Nadel tief unter den Fingernagel. Beim zweitenmal schlitze ich den Finger möglicherweise über die ganze Länge bis zum Knochen auf. Erst wenn er zum drittenmal auftaucht, würde ich den Finger vollends abhacken. Doch für gewöhnlich lenkt mich der zweite Zettel natürlich auf einen anderen Körperteil des Objekts -ein anderes Glied, oder die Nase, oder vielleicht die Jade-Drüse. Doch aufgrund der Tatsache, daß derselbe Körperteil dreimal auf den Papierstückchen auftauchen kann und aufgrund der Zufälligkeit der Auswahl, kommt es in der Tat gelegentlich vor, daß derselbe Körperteil zweimal nacheinander auftaucht, doch geschieht das zum Glück nicht sehr oft. Und in meiner ganzen Laufbahn ist es nur ein einziges Mal vorgekommen, daß alle drei Zettel nacheinander denselben Körperteil des Objekts enthielten. Das war schon höchst ungewöhnlich und erinnerungswürdig. Ich habe später den Hofmathematiker Linngnan ersucht, mir auszurechnen, wie oft dieser Fall eintreten könnte. Wenn ich mich recht erinnere, sagte er, die Möglichkeit bestehe einmal in einer Million. Doch das ist Jahre her. Es handelte sich um ihre linke Brustwarze…«
    Sein Blick schien beseligt in der Erinnerung zurückzugehen bis zu jener Zeit. Doch dann kam er jählings wieder zurück in die Gegenwart, zu uns.
    »Vielleicht habt Ihr inzwischen begriffen, welch besonderes Fachwissen das Liebkosen erfordert. Man rennt nicht einfach hin und her, schnappt sich ein Stück Papier und säbelt dem Objekt irgendein Körperteil ab. Nein, ich gehe gemächlich wirklich in aller Gemächlichkeit -zwischen dem Objekt und meinem Instrumententisch hin und her, denn dem Objekt muß Zeit gewährt werden, jeden einzelnen Schmerz auch weidlich auszukosten. Auch müssen es immer andere Schmerzen sein einmal solche, die ein Einschnitt verursacht, dann ein Durchbohren, dann ein Schleifen, ein Verbrennen, ein Zertrümmern und so weiter. Auch müssen die Wunden sich graduell unterscheiden, so daß das Objekt nicht nur eine allumfassende Todesqual erleidet, sondern eine Fülle unterschiedlicher Schmerzen, die er oder sie unterscheiden und lokalisieren kann. Hier ein Oberkieferbackenzahn, der langsam herausgedreht wird und statt dessen ein Nagel bis in die Nasennebenhöhle hineingetrieben. Dort ein Ellbogengelenk, das mit einer von mir selbst klug ersonnenen Schraubzwinge zum Bersten gebracht und zertrümmert wird. Noch an anderer Stelle eine rotglühende Metallsonde, eingeführt in die dünne Röhre seines Roten Keinods -oder zart und wiederholt an dem empfindlichen Knötchen über ihrem Roten Kleinod angesetzt. Und zwischendurch vielleicht die Haut über der Brust ablösen und vorn herunterhängen lasse wie eine Schürze.«
    Ich schluckte und fragte: »Und wie lange dauert das Ganze, Meister Ping?«
    Woraufhin er überlegen mit der Schulter zuckte und sagte: »Bis das Objekt verendet. Schließlich heißt die Prozedur Tod der Tausend. Gleichwohl ist noch nie jemand am Sterben gestorben, wenn Ihr versteht, was ich meine. Darin liegt ja gerade meine Kunst -in der Verlängerung des Sterbeprozesses und in der ständigen Steigerung der Martern. Um es anders auszudrücken: Am Schmerz als solchem ist noch nie jemand gestorben. Selbst ich bin manchmal überrascht, wieviel Schmerzen der Mensch ertragen kann und wie lange. Auch war ich ja Arzt, ehe ich Liebkoser wurde; infolgedessen füge ich nie versehentlich eine tödliche Verletzung zu, und selbstverständlich weiß ich, wie ich verhindere, daß ein Objekt vorzeitig durch Blutverlust oder an einem Kreislaufkollaps stirbt. Meine Gehilfen verstehen sich trefflich darauf, Blutungen zu stillen, und wenn ich gezwungen bin, in einer frühen Phase des Liebkosens ein bedauerlich anfälliges Organ wie etwa eine Blase zu durchbohren, wissen meine Gehilfen sehr wohl, wie sie

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