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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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geschieht es jedenfalls, daß, wenn es zu einem Erdbeben kommt
    - auch wenn das sehr weit von hier entfernt passiert, so daß kein Mensch in Khanbalik etwas davon spürt -, das Maul eines der Drachen sich öffnet und die Perle in den Schlund der Kröte darunter rollt. Klirren und Beben anderer Art zeitigen diese Wirkung nicht. Ich bin um die Urne herumgetanzt und gehüpft und habe mit den Füßen aufgestampft - doch es rührt sich nichts. Dabei bin ich nicht gerade ein Schmetterling.«
    In Gedanken sah ich den majestätischen Khan Aller Khane wie einen neugierigen Knaben im Raum herumhopsen, daß sich seine weiten Gewänder bauschten, sein Bart hin und her flog und ihm die Helmkrone auf dem Kopf verrutschte -während seinen Ministern vermutlich die Augen aus dem Kopf quollen. Doch erinnerte ich mich an das, was ich mir vorgenommen hatte, und lächelte nicht.
    Er sagte: »Je nachdem, welche Perle.herabrollt, weiß ich, in welcher Himmelsrichtung sich das Erdbeben ereignet hat. In welcher Entfernung oder wie verheerend, vermag ich nicht zu sagen; aber immerhin kann ich einen Trupp Reiter in vollem Galopp hinreiten lassen, die mir dann über den angerichteten Schaden und die Zahl der Toten berichten.«
    »Ein wahres Wunder, diese Erfindung, Sire.« »Ich wünschte, ich könnte mich auf meine menschlichen Informanten ebenso verlassen, wenn es darum geht, mir zu berichten, was in allen meinen Herrschaftsbereichen geschieht. Ihr habt ja meine Han-Spione gehört, neulich beim Bankett, wie sie Zahlen und Waffen und Aufstellungen herunterratterten ohne daß ich auch nur das geringste erfahren hätte.«
    »Die Han sind ganz vernarrt in Zahlen«, sagte Chingkim. »Die fünf Haupttugenden. Die fünf großen Beziehungen. Die dreißig Stellungen beim Geschlechtsakt und die sechs Arten des Eindringens und die neun Bewegungsmöglichkeiten. Selbst ihre Höflichkeit unterwerfen sie feststehenden Regeln. Soviel ich weiß, kennen sie dreihundert Regeln des förmlichen Umgangs miteinander und dreitausend Verhaltensvorschriften.«
    »Und, Marco«, sagte Kubilai, »meine anderen Informanten meine muslimischen, ja sogar meine mongolischen Beamten neigen dazu, in ihren Berichten alles zu verschweigen, wovon sie meinen, ich könnte es unbequem oder unangenehm finden. Ich muß mich um ein Riesenreich kümmern, kann aber unmöglich überall zugleich sein. Wie ein weiser Han-Berater mir einmal gesagt hat: Erobern kann man hoch zu Roß, aber um zu regieren, muß man vom Roß herunter. Infolgedessen bin ich weitgehend auf Berichte aus der Ferne angewiesen, und die enthalten häufig alles, nur nicht das, was ich unbedingt wissen muß.«
    »Damit ist es wie mit diesen Spionen«, mischte Chingkim sich ein. »Man schicke sie in die Küche, um alles über die Suppe vom Vorabend herauszufinden, und sie werden melden, wieviel gekocht wurde, wie dick die Suppe war, welche Zutaten benutzt wurden, welche Farbe und welches Aroma sie hatte und welche Dampfmenge sie abgegeben hat. Sie würden über alles berichten
    -nur nicht, ob sie gut oder schlecht geschmeckt hat.« Kubilai nickte. »Was mich beim Bankett so beeindruckt hat, Marco -und mein Sohn teilt diese Meinung -, ist, daß Ihr offenbar die Gabe besitzt, den Geschmack der Dinge herauszufinden. Nachdem diese Spione geredet und geredet hatten, habt Ihr nur ein paar Worte gesagt. Gewiß, es waren nicht sehr taktvolle Worte, aber sie haben mir verraten, wie die Suppe schmeckt, die dort in Sin-kiang gekocht wird. Ich möchte
    wissen, ob Ihr diese Gabe wirklich besitzt -um sie dann weiterhin zu nutzen.«
    »Ihr wollt, daß ich den Spion für Euch mache, Sire?«
    »Nein. Ein Spion muß mit seiner Umwelt verschmelzen können, und das wäre einem Ferenghi wohl nirgends in meinem Herrschaftsbereich möglich. Außerdem würde ich einen anständigen Mann nie auffordern, zum Schnüffler und Schwätzer zu werden. Nein, ich denke da an andere Aufgaben. Doch um ihnen gerecht zu werden, müßtet Ihr noch eine Menge anderer Dinge lernen als nur die geläufige Beherrschung unserer Sprache. Keine leichte Aufgabe. Sie erfordert viel Zeit und Mühe.«
    Er sah mich eindringlich an, als wollte er sehen, ob ich bei der Aussicht auf harte Arbeit zurückschreckte, und so sagte ich beherzt:
    »Der Khakhan erweist mir zuviel Ehre, indem er nichts weiter als Plackerei von mir erwartet. Aber wenn die Plackerei nur der Vorbereitung auf eine wirklich bedeutende Aufgabe dient, deucht mich die Ehre nur um so größer.«
    »Überstürzt

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