Marco Polo der Besessene 2
Lustpark sein mit Terrassen und schön angelegten Wegen, weidenüberhangenen Wasserfällen und hier und da hübschen Pavillons. Das ganze soll eine Zierde der gesamten Palastanlage werden. Darin ist er sehr han und spiegelt die Bewunderung, die wir der Han-Kunst entgegenbringen. Aber es soll noch mehr sein. Der Baumeister hätte einen Hügel aus der hiesigen gelben Erde aufschütten können, doch mein königlicher Vater befahl, es müsse kam sein. Wahrscheinlich wird man dieses brennbare Felsgestein nie gebrauchen, doch nur für den Fall, daß dieser Palast jemals belagert werden sollte, hätten wir hier einen unbegrenzten Brennstoffvorrat. So denkt ein Krieger. Und der ganze Hügel um all die Baulichkeiten, Bäche und Blumenbeete herum soll vom einfachen Gras der Ebenen begrünt werden und damit eine lebendige Erinnerung an unser mongolisches Erbe darstellen.«
»Ah!« sagte ich. »Jetzt ist alles klar.«
»Die Han haben ein treffliches Sprichwort«, sagte Kubilai. »Bai wen buru yi jian. Etwas hundertmal gesagt bekommen ist nicht so gut wie einmal sehen. Ihr habt gesehen. Und jetzt laßt mich von einer anderen Seite des Herrschens reden.«
Wir kehrten auf unsere Plätze zurück. Auf eine unhörbare Aufforderung hin glitt die Dienerin herein und schenkte unsere Becher wieder voll.
Der Khakhan nahm den Faden wieder auf. »Es gibt Zeiten, da kann ich -wie Ihr, Marco Polo -die Haltung anderer Menschen schmecken. Ihr habt Eure Bereitwilligkeit bekundet, Euch in mein Gefolge einzureihen, nur frage ich mich, ob ich bei Euch nicht noch einen Rest Mißbilligung verspüre.«
»Sire?« sagte ich ziemlich verdutzt angesichts seiner Direktheit. »Wer bin ich, Sire, irgendwelches Mißfallen am Khan
Aller Khane zu hegen? Ja, selbst Billigung wäre von meiner Seite aus bereits eine Anmaßung.«
Er sagte: »Man hat mir von Eurem Besuch in der Höhle des Liebkosers berichtet.« Ich muß bei diesen Worten wohl unwillkürlich zum Prinzen hinübergesehen haben, denn er fuhr fort: »Ich bin mir darüber im klaren, daß Chingkim dabei war, doch nicht er ist es, von dem ich davon weiß. Ich nehme an, Ihr wart entsetzt darüber, wie ich mit Kaidus beiden Männern umgesprungen bin.«
»Ich hatte wohl gehofft, Sire, daß die Behandlung, die ihnen zuteil wurde, etwas weniger extrem ausgefallen wäre.«
»Man zähmt einen Wolf nicht, indem man ihm einen Zahn zieht.«
»Sie waren meine Reisegefährten, Sire, und in dieser Zeit haben sie sich nichts Wölfisches zuschulden kommen lassen.«
»Bei ihrer Ankunft hier wurden sie gastfreundlich von meiner eigenen Palastwache aufgenommen. Mongolenkrieger sind für gewöhnlich nicht sehr geschwätzig, doch diese beiden haben ihren Kameraden in der Unterkunft sehr, sehr viele und sehr neugierige Fragen gestellt. Meine Männer haben nur ausweichend darauf reagiert, und so hätten die beiden nicht besonders viele Informationen mitnehmen können nach Hause. Ihr wißt, daß ich Spione in Kaidus Land geschickt hatte. Haltet Ihr ihn für imstande, das gleiche zu tun?«
»Ich habe ja nicht gewußt…« Ich suchte nach Worten: »Ich habe nicht angenommen…«
»Als Herrscher über ein ausgedehntes Reich bin ich gezwungen, über sehr viele unterschiedliche Völker zu herrschen und ihre Besonderheiten im Auge zu behalten. Die Han sind geduldig und verschlagen, die Perser sind sprungbereit geduckte Löwen und alle anderen Muslime tollwütige Schafe, die Armenier großmäulige Speichellecker und so weiter. Vielleicht behandle ich sie nicht immer alle so, wie es sein müßte, aber die Mongolen verstehe ich sehr gut. Sie gilt es, mit eiserner Faust zu regieren, denn in ihnen herrsche ich über ein eisernes Volk.«
»Ja, Sire«, sagte ich zaghaft.
»Habt Ihr hinsichtlich der Art und Weise, wie ich andere behandle, irgendwelche Vorbehalte?«
»Nun«, sage ich, denn er schien es ohnehin zu wissen. »Ich dachte -an jenem Tag im Cheng -, daß Ihr die hungernden Bauern aus Ho-nan ziemlich barsch abgefertigt habt.«
Und nicht minder barsch sagte er jetzt: »Denen, die in Not sind und winselnd um Hilfe betteln, helfe ich nicht. Ich belohne lieber diejenige n, welche die Not überleben. Jeder, der am Leben erhalten werden muß, ist es für gewöhnlich nicht wert, daß man es tut. Wenn Menschen mit plötzlichem Mißgeschick oder einer ganzen Serie von Unglücksfällen geschlagen werden, sind es die besten, die überleben, und sie haben es verdient. Auf alle anderen kann man verzichten.«
»Aber baten sie um
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