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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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von der mächtigen chuan holten oder zu ihr hinbrachten und in seichterem Gewässer minder wichtige Aufgaben erledigten. Nur ein einziger unter den Ministern -der Araber Achmad, Oberster Minister, Stellvertretender Regent und Finanzminister in einem -hatte etwas von den leicht gekrängten hu-pan-Booten, die sinnreich asymmetrisch gebaut worden waren, um Flußbiegungen zu umschiffen, bei denen Vorder-und Achtersteven beliebig und austauschbar waren und die sich in sicheren Gewässern stets in Ufernähe aufhielten. Doch von Achmad, dem Mann, der gekrümmt war wie ein hupan-Boot, werde ich zu gegebener Zeit berichten.
    Wie der Prête Zuàne oder Priester Johannes der Legende, mußte Kubilai über einen bunt zusammengewürfelten Haufen der unterschiedlichsten Völker und Stämme herrschen, von denen noch dazu viele untereinander verfeindet waren.
    Wie Alexander war Kubilai bemüht, sie miteinander zu verschmelzen, indem er die bewundernswertesten Ideen und Leistungen und Eigenschaften all dieser unterschiedlichen Kulturen als solche erkannte und sie zum Wohle aller seiner verschiedenen Völker überall zu verbreiten und zu verpflanzen bemüht war. Selbstverständlich war Kubilai kein heiligmäßiger Mann wie der Prête Zuàne, ja, er war noch nicht einmal ein Christ oder auch nur ein Anhänger der klassischen Götter wie Alexander. Solange ich ihn kannte, anerkannte Kubilai keinerlei Gottheit außer dem mongolischen Kriegsgott Tengri und ein paar unbedeutendere mongolische Idole wie die Hausgottheit Nagatai. Aber er interessierte sich für andere Religionen und befaßte sich mit vielen von ihnen in der Hoffnung, die alleinige beste zu finden, die seinen Untertanen zugute kommen und eine zusätzlich einigende Kraft unter ihnen sein könnte. Mein Vater, mein Onkel und andere legten ihm immer wieder das Christentum ans Herz, und die Scharen nestorianischer Missionare hörten nie auf, ihm ihre ketzerische Form des Christentums zu predigen; andere Männer traten für die unterdrückerische Religion des Islam, den gottlosen und götzendienerischen Buddhismus sowie etliche andere Religionen ein, die charakteristisch für die Han waren, sogar für den ekelerregenden Hinduismus Indiens.
    Doch der Khakhan ließ sich nie überzeugen, daß das Christentum der einzig wahre Glauben sei, fand aber auch nie einen anderen, den er vorgezogen hätte. Einmal -und ich weiß heute nicht mehr, ob er das tat, weil es ihn amüsierte, weil er entsetzt darüber war oder von Abscheu erfüllt -sagte er: »Welchen Unterschied macht es schon, ob dieser oder jener Gott? Gott ist nichts weiter als ein Vorwand für die Gottesfürchtigen.«
    Möglich, daß er am Schluß das geworden ist, was ein Gottesgelehrter einen skeptischen Pyrrhoneiker nennen würde,doch selbst seine Nicht-Überzeugungen zwang er niemandem auf. Er blieb in dieser Hinsicht stets freizügig und tolerant und ließ jeden Menschen glauben und verehren, was er wollte. Zugegeben, da Kubilai überhaupt keiner Religion anhing, richtete er sich auch nie nach einem bestimmten Dogma oder einer besonderen Doktrin und nahm sich die Freiheit, selbst die grundlegenden Tugenden und Laster so eng oder so weit auszulegen, wie es ihm gerade paßte. Aus diesem Grunde lagen seine Vorstellungen von Mildtätigkeit, Gnade, Bruderliebe und was solcher Dinge mehr sind, durchaus und erschreckend im Widerstreit mit denen eingefleischter strenggläubiger Männer. Wiewohl ich selbst wahrhaftig kein Vorbild christlicher Prinzipientreue bin, habe ich oft in Widerspruch gestanden zu dem, was er als seine Richtschnur betrachtete, oder war geradezu entsetzt darüber, wie er diese anwandte. Und trotzdem, nichts von dem, was Kubilai je tat -und wenn ich das zu Zeiten auch noch so bedauerte -, hat meiner Bewunderung für ihn je Abbruch getan, mich in meiner Treue zu ihm oder in meiner Überzeugung wanken lassen, daß er der größte Herrscher unserer Zeit war.
    7
     
    In den folgenden Tagen, Wochen und Monaten wurde ich zur Audienz bei jedem Minister, Ratgeber und Hofbeamten des Khakhan vorgelassen, von deren Ämtern ich auf den vorhergehenden Seiten gesprochen habe, und bei zahlreichen anderen hohen und niederen Würdenträgern, deren Titel ich vielleicht noch nicht genannt habe -den drei Ministern für Ackerbau, Fischerei und Herdviehhaltung, den Leiter der Aushebung des Großen Kanals, dem Minister für Straßen und Flüsse, dem Minister für Schiffe und Seefahrt, dem Hof-Shamàn, dem Minister für Kleinere

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