Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
Volksgruppen - und viele andere.
    Nach jeder dieser Unterredungen wußte ich ein paar interessante, nützlich oder erbauliche Dinge mehr, doch möchte ich hier nicht über alles berichten. Aus einem dieser Gespräche ging ich verlegen heraus, und dem betreffenden Minister erging es ähnlich. Er war Mongole und hieß Amursama, war der Minister für Straßen und Flüsse, und die Peinlichkeit ergab sich völlig unerwartet, als er sich über eine höchst prosaische Angelegenheit ausließ, nämlich über den Postendienst, den er überall in Kithai einrichtete.
    »An jeder kleineren wie größeren Landstraße lasse ich alle fünfundsiebzig li eine bequeme Unterkunft bauen, und die jeweils nächstgelegenen Gemeinde ist verantwortlich dafür, daß sie mit guten Pferden und Reitern versorgt ist. Muß eine Botschaft oder ein Paket schnell in die eine oder andere Richtung übermittelt werden, kann ein Reiter sie in gestrecktem Galopp von einem Posten zum anderen befördern. Dort übergibt er sie eilends einem neuen Reiter, der bereits mit gesatteltem Pferd bereitsteht, seinerseits zum nächsten Posten reitet und so fort. Zwischen einem Morgengrauen und dem nächsten kann eine Abfolge von Reitern eine leichte Last über eine Strecke befördern, für die eine gewöhnlich karwan zwanzig Tage braucht.
    Und da Banditen doch zögern, über einen Sendboten des Khanats, den sie als solchen erkennen, herzufallen, treffen die Sachen sicher und zuverlässig an ihrem Bestimmungsort ein.«
    Später, als mein Vater und mein Onkel Mafìo anfingen, mit ihren Handelsunternehmungen reich zu werden, sollte ich erfahren, daß das stimmte. Für gewöhnlich tauschten sie ihren Gewinn in kostbare Edelsteine um, die ein kleines, leichtes Paket ergaben. Unter Ausnutzung von Minister Amursamas Pferdeposten schickten sie diese Päckchen von Kithai ganz bis nach Konstantinopel, wo mein Onkel Marco sie in den Truhen der Compagnia Polo verschloß.
    Der Minister fuhr fort: »Da nun gelegentlich etwas Ungewöhnliches oder Wichtiges in den Gebieten zwischen den Pferdeposten geschehen kann -eine Überschwemmung, ein Aufstand, irgend etwas Wunderbares, das es wert ist, gemeldet zu werden -, richte ich etwa alle zehn li einen kleineren Posten für Fuß-Läufer ein. Folglich ist der nächste Beförderungsposten überall im ganzen Reich in weniger als einer Laufstunde zu erreichen; die Läufer lösen einander ab, bis sie den nächsten Pferdeposten erreichen, von wo aus die Nachricht schneller weiterbefördert werden kann. Ich bin gerade dabei, dieses System für ganz Kithai auf die Beine zu stellen, doch irgendwann soll es für das gesamte Khanat eingerichtet werden, um Meldungen oder wichtige Sendungen selbst von der äußersten Grenze Polens herbeizuschaffen. Schon jetzt funktioniert dieser Dienst so gut, daß, wenn im Tung-ting-See, also über zweitausend li von hier, ein Weißflossentümmler gefangen wird, man ihn in Eis verpackt in Satteltaschen so schnell hierherschaffen kann, daß er noch frisch in der Küche des Khakhan eintrifft.«
    »Ein Fisch?« fragte ich voller Hochachtung. »Stellt ein Fisch denn ein wichtiges Lastgut dar?«
    »Diesen Fisch gibt es nur an einem Ort, eben im Tung-ting-See, und ist nicht leicht zu fangen; infolgedessen ist er dem
    Khakhan vorbehalten. Trotz seines häßlichen Aussehens ist er ein großer Leckerbissen. Der Weißflossentümmler ist groß wie eine Frau, hat einen Kopf wie eine Ente mit einer Schnauze wie einem Entenschnabel, und durch die Schlitzaugen kann er leider gar nicht sehen. Ein Fisch ist er auch nur durch Verzauberung.«
    Mit den Augen bunkernd, sagte ich: »Uu?«
    »Jawohl, es handelt sich um den königlichen Nachkommen einer Prinzessin, die in einen Tümmler verwandelt wurde, nachdem sie sich in besagtem See ertränkt hat… wegen einer… hm… tragischen Liebesgeschichte…«
    Was mich überraschte, war, daß ein typisch frischfröhlicher und barscher Mongole anfing zu stottern wie ein Schuljunge. Ich faßte ihn genauer ins Auge und erkannte, daß sein eben noch braunes Gesicht feuerrot angelaufen war. Er mied meinen Blick und suchte unbeholfen, das Thema zu wechseln. Und da ging mir auf, wer er war, und so fand ich -der ich aus lauter Mitgefühl wahrscheinlich gleichfalls errötete -meinerseits einen Vorwand, um das Gespräch zu beenden, und zog mich zurück. Ich hatte vollständig vergessen, daß Minister Amursama jener Herr war, der, nachem seine Frau beim Ehebruch ertappt worden war, Befehl erhalten hatte,

Weitere Kostenlose Bücher