Marco Polo der Besessene 2
unwohl dabei, einem einfachen Sklaven aufzuwarten.
Jetzt kam er zu sich und brummelte: »Bismillah, Herr«, und gähnte so herzhaft, daß selbst sein schreckliches Nasenloch sich noch zu weiten schien.
Streng sagte ich: »Da bin ich den ganzen Tag über beschäftigt, während mein Sklave schläft. Ich habe den Auftrag herauszufinden, was die einzelnen Hofbeamten des Khakhan taugen. Aber du könntest das hinter ihrem Rücken noch viel besser.«
Er murmelte: »Ich nehme an, Herr, Ihr möchtet, daß ich unter ihren Dienern und Helfern herumschnüffle. Aber wie? Ich bin fremd hier und neu, und die mongolische Sprache beherrsche ich auch nur höchst unvollkommen.«
»Es gibt viele Nichtmongolen unter dem Hauspersonal. Kriegsgefangene aus aller Herren Länder. Wie die Dienerschaft unten sich unterhält, das muß eine wahre babylonische Sprachverwirrung sein. Und ich weiß sehr gut, daß dein eines Nasenloch sich ganz besonders eignet, Klatsch und Skandalen auf die Spur zu kommen.«
»Ich fühle mich geehrt, daß Ihr mich bittet, Herr, aber…«
»Ich bitte dich nicht, ich befehle es dir. Du hast dich von heute an in deiner ganzen Freizeit unter die Diener und unter deine Mitsklaven zu mischen.«
»Herr, offen gesagt, habe ich Angst, durch diese Gänge zu gehen. Ich könnte zufällig in das Reich des Liebkosers hineingeraten.«
»Keine Widerworte, sonst bringe ich dich persönlich zu ihm. Hör zu! Wir werden uns von heute an jeden Abend zusammensetzen, und du wirst mir haarklein berichten, was du
an Gerüchten und Klatsch mitbekommen hast.«
»Alles und jedes? Der größte Teil ist doch dummes Gerede.«
»Alles und jedes. Im Augenblick interessiert mich, alles zu erfahren, was ich über den Minister der Kleineren Volksgruppen, den Han Pao Nei-ho, herausfinden kann. Wann immer du Gelegenheit findest, die Rede auf ihn zu bringen, tue das! Aber behutsam! Ich möchte auch alles andere hören, was du erfährst. Auch die kleinste Nebensächlichkeit kann sich da als Leckerbissen für mich erweisen - man kann nie wissen.«
»Mirza Marco, bei aller Hochachtung muß ich hier im voraus gewisse Bedenken anmelden. Ich bin nicht mehr ein so hübscher Bursch, wie ich es dermaleinst war; damals habe ich selbst Prinzessinnen den Kopf verdrehen können, daß sie mir ihre geheimsten…«
»Ach, komm mir jetzt nicht mit dieser albernen alten Mär! Nasenloch, du weißt genauso gut wie alle Welt sonst, daß du immer abgrundhäßlich gewesen und nicht mal an den Rocksaum einer Prinzessin herangekommen bist!«
Aber so leicht ließ er sich nicht abweisen. »Andererseits habt Ihr zwei hübsche Mädchen in Euren Diensten, die ihre Schönheit sehr leicht einschlägig nutzen könnten. Sie sind weit besser als ich geeignet, Geheimnisse herauszukitzeln…«
»Nasenloch!« sagte ich mit einer Engelsgeduld. »Du wirst für mich spionieren, weil ich es dir sage; einen anderen Grund brauche ich dir nicht anzugeben. Trotzdem will ich noch folgendes sagen: Dir ist der Gedanke vermutlich noch nicht gekommen, mir aber wohl -daß nämlich diese beiden Mädchen höchstwahrscheinlich mich ausspionieren. Daß sie jeden Schritt, den ich mache, weitermelden. Vergiß nicht, es war der Sohn des Khakhan, der mir die Mädchen auf Befehl seines erhabenen Vaters zugewiesen hat.«
Anderen gegenüber sprach ich von ihnen stets per »die Mädchen«, denn jedesmal beide Namen zu benutzen, wäre sehr umständlich gewesen; auch sprach ich von ihnen nie per »Dienerinnen«, denn sie waren für mich ja doch mehr als das, und »Konkubinen« wollte ich sie nicht nennen, weil das für mich einen leicht abschätzigen Klang hatte. Waren wir jedoch unter uns, nannte ich sie Buyantu und Biliktu, denn ich hatte sehr bald gelernt, sie auseinanderzuhalten. Wiewohl eine angezogen war wie die andere, kannte ich jetzt ihren ganz persönlichen Gesichtsausdruck und ihre Art, sich zu bewegen. In unbekleidetem Zustand jedoch konnte man die Zwillinge trotz der gleichen Grübchen in Wangen und Ellbogen, insbesondere aber der ganz besonders reizenden Grübchen links und rechts vom Steißbein wegen viel leichter auseinanderhalten. Biliktu wies am unteren Teil ihrer linken Brust eine Reihe von Sommersprossen auf, und Buyantu hatte am rechten Oberschenkel eine winzige, von einem Unfall in ihrer Kindheit herrührende Narbe.
Diese Dinge waren mir neben einigen anderen Besonderheiten gleich in unserer ersten gemeinsamen Nacht aufgefallen. Beide Mädchen waren Wohlgestalt, und da sie keine
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