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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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nur immer
miteinander glücklich gewesen. Zwischen seinen Augen und den ihren stand keine
Schranke mehr, lag keine Feme, die sie zurückscheuchte. Sie lachte.
    »Ach,
Ashley, ich werde alt und gebrechlich.«
    »Nanu? Das
sieht man dir aber an! Scarlett, auch wenn du sechzig Jahre alt bist, wirst du
dich für mich nicht verändert haben. Immer sehe ich dich vor mir wie damals auf
dem Gartenfest unter der Eiche, mit einem Dutzend junger Männer um dich herum.
Ich kann dir noch genau sagen, wie du angezogen warst, in Weiß, mit zierlichen
grünen Blümchen und einem weißen Spitzenschal über den Schultern. Kleine grüne
Schuhe hattest du an mit schwarzen Schnüren, und auf dem Kopf trugst du einen
riesigen Florentinerhut mit langen grünen Bändern. Das Kleid kenne ich
auswendig. Als ich gefangen war und es mir gar so schlecht ging, holte ich
meine Erinnerungen hervor und betrachtete sie wie Bilder, die kleinsten
Einzelheiten fielen mir wieder ein ... «
    Plötzlich
brach er ab, und das warme Licht erlosch in seinen Augen. Sanft ließ er ihre
Hände los. Erwartungsvoll saß sie da und lauschte auf seine nächsten Worte.
    »Seitdem
sind wir beide eine lange Straße gewandert, nicht wahr, Scarlett? Wege, die zu
gehen wir nicht gedacht hatten. Du bist rasch auf dem kürzesten Wege
vorangekommen. Ich langsam und widerstrebend.«
    Wieder
setzte er sich auf den Tisch und sah sie an, und wieder glitt ein leises
Lächeln über sein Gesicht. Aber es war nicht das Lächeln, das sie soeben noch
beglückt hatte. Dieses Mal war es ein trauriges Lächeln.
    »Ja, du
bist schnell hierhergelangt, und mich hast du an deinen Wagenrädern
mitgeschleift. Manchmal frage ich mich, was ohne dich wohl aus mir geworden
wäre.«
    Rasch sprang
sie ihm bei, um ihn gegen sich selbst zu verteidigen, um so rascher, als ihr in
den Sinn kam, was Rhett darüber gesagt hatte. »Aber ich habe doch nie etwas für
dich getan, Ashley, ohne mich wärst du genauso dran wie jetzt. Ernes Tages
wärest du ein reicher und großer Mann geworden, genau wie du es jetzt werden
wirst.«
    »Nein,
Scarlett, Anlage zum Großen habe ich nie gehabt. Wenn du nicht gewesen wärest,
ich wäre wohl untergegangen und verkommen - wie die arme Cathleen Calvert und
so mancher andere, der früher einen großen alten Namen trug.«
    »Ach,
Ashley, sprich nicht so, es klingt so traurig.«

»Nein, ich
bin gar nicht traurig. Jetzt nicht mehr. Ich war es einmal. Jetzt bin ich nur
noch ...«
    Er hielt
inne, und urplötzlich las sie seine Gedanken. Zum erstenmal in ihrem Leben
wußte sie, was Ashley dachte, wenn seine Augen groß und abwesend durch sie
hindurchschauten. Solange ihr das Herz in wilder Liebe geschlagen hatte, waren
seine Gedanken ihr verschlossen geblieben. Aber in der Ruhe der Freundschaft, die
nun zwischen ihnen lag, konnte sie ihm folgen und ihn verstehen. Traurig war er
jetzt nicht mehr. Früher war er traurig gewesen, jetzt hatte er sich mit
Entsagung in das Leben gefunden.
    »Schrecklich
ist es, wenn du so sprichst«, wehrte sie ungestüm ab. »Das klingt ganz nach
Rhett. Immer wieder kommt er mit der alten Leier, daß nur die durchkämen, die
sich in die Zeit schicken ... bis ich vor Langeweile heulen könnte.«
    Ashley
lächelte. »Ist dir schon einmal der Gedanke gekommen, Scarlett, daß Rhett und
ich im tiefsten Grunde gleich sind?«
    »O nein!
Du bist so vornehm und ehrenhaft, und er ... «
    Verlegen
brach sie ab.
    »Doch, wir
sind gleich. Wir stammen aus den gleichen Kreisen und sind nach derselben
Schablone zu derselben Denkweise erzogen. Unterwegs haben wir uns dann nach
verschiedenen Seiten gewendet Wir denken noch gleich, aber wir ziehen
verschiedene Folgerungen daraus. Zum Beispiel hat keiner von uns an den Krieg
geglaubt, aber ich habe mich gestellt und mitgekämpft, und er hat sich bis kurz
vor dem Ende abseits gehalten. Wir wußten beide, daß der Krieg ein großer
Irrtum war. Wir wußten beide, daß wir ihn verlieren mußten. Ich war bereit, auf
verlorenem Posten zu kämpfen, und er nicht. Manchmal denke ich, er habe recht
gehabt, und dann wieder ... «
    »Ach,
Ashley, willst du denn immer die beiden Seiten einer Sache sehen?« fragte sie,
aber nicht mehr so ungeduldig, wie sie es wohl früher getan hätte. »Kein Mensch
kommt weiter, wenn er immer beide Seiten betrachtet.«
    »Das ist
richtig, Scarlett. Aber wohin geht denn der Weg eigentlich? Ich habe es mir oft
überlegt. Siehst du, ich habe nie etwas erreichen wollen. Ich wollte nur ich
selbst

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