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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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sein.«
    Wohin der
Weg ging? Eine dumme Frage. Zu Geld und Sicherheit natürlich.
    Und doch
... sie wurde unsicher. Sie hatte so viel Geld und Sicherheit, wie man sich in
dieser unsicheren Welt nur wünschen konnte, aber wenn sie ehrlich darüber
nachdachte, war sie nicht glücklich dabei geworden - wenn auch die Hetze und
die Angst vor dem Kommenden aufgehört hatten. »Hätte ich Geld und Sicherheit
und dich dazu, dann hätte ich mein Ziel erreicht«, dachte sie und schaute ihn
voll innigem Verlangen an. Aber sie sprach die Worte nicht aus, denn sie
fürchtete, den Zauber zu brechen, der zwischen ihnen lag.
    »Nur du
selbst willst du sein?« lachte sie ein wenig betreten. »Ich war niemals ich
selbst, und darunter habe ich am schwersten gelitten. Und wohin ich will, nun,
da wäre ich inzwischen wohl angelangt. Reich und gesichert wollte ich sein und
... «
    »Aber
Scarlett, bist du nie auf den Gedanken gekommen, daß es mir ganz einerlei ist,
ob ich reich oder arm bin?«
    Nein, auf
den Gedanken, jemand könne nicht reich sein wollen, war sie allerdings nie
verfallen.
    »Ja, aber
was willst du denn?«
    »Ich weiß
es nicht mehr. Früher wußte ich es, aber ich habe es beinahe vergessen. Vor
allem wollte ich meine Ruhe haben, wollte nicht von Menschen geplagt werden,
die mir nicht liegen, und nicht Dinge tun müssen, die ich nicht will.
Vielleicht ... wünsche ich mir die alten Zeiten zurück, aber sie kommen nie
wieder. Und die Erinnerung daran und an die Welt, die um uns her zugrunde
gegangen ist, läßt mir keine Ruhe.«
    Scarlett
hielt jetzt den Mund eigensinnig geschlossen. Was er meinte, wußte sie gut.
Schon der Ton seiner Stimme beschwor das Vergangene herauf, wie nichts anderes
es hätte zurückrufen können, und das Herz wurde ihr auf einmal schwer, als auch
sie daran zurückdachte. Aber seit dem Tage, da sie elend und verlassen in dem
Garten von Twelve Oaks gelegen und gesagt hatte: »Ich will nicht
zurückschauen«, hatte sie sich von dem Vergangenen abgewendet.
    »Mir ist
das Heute lieber«, sagte sie, mied jedoch seinen Blick. »Jetzt geschieht doch
immer etwas Neues und Aufregendes. Das Leben glitzert. Die alten Zeiten waren
so farblos.« (Ach, die geruhsamen Tage, die warme, stille Dämmerung auf dem
Lande! Das weiche, klingende Lachen, das aus den Negerhütten hervorscholl! Der
warme Goldton, der damals über dem Leben lag, und die tröstliche Gewißheit, daß
jeder neue Tag das alte Glück wiederbrachte! Wer könnte euch verleugnen!)
    »Mir ist
das Heute lieber«, wiederholte sie, aber mit bebender Stimme.
    Er glitt
vom Tisch herunter, lachte leise und ungläubig. Dann faßte er sie unters Kinn
und bog ihr Gesicht zu sich empor.
    »Ach,
Scarlett, du kannst ja gar nicht lügen. Gewiß, das Leben hat jetzt etwas
Glitzerndes, wenn du so willst, aber gerade das ist sein Elend. Die alten
Zeiten hatten nichts Glitzerndes, aber sie hatten einen Zauber der Schönheit
und einen geruhsamen Glanz.«
    Ihre
Empfindungen wurden hin und her gerissen. Sie schlug die Augen nieder. Der
Klang seiner Stimme, die Berührung seiner Hand stießen leise die Tür wieder
auf, die sie für immer geschlossen hatte. Hinter der Tür lag die Schönheit der
alten Zeit. Es hungerte sie danach.
    Er ließ
die Hand von ihrem Kinn sinken und nahm ganz sanft eine ihrer Hände zwischen
seine beiden.
    »Weißt du
noch?« sagte er, und warnend läutete eine Glocke in ihrem Innern: Nicht
zurückschauen! nicht zurückschauen!
    Aber sie
achtete ihrer nicht und stürzte sich kopfüber in die glückselige Flut. Endlich
verstand sie ihn, endlich waren ihre Seelen einander begegnet. Dieser
Augenblick war allzu kostbar, sie durfte ihn nicht verlieren, wieviel Herzweh
daraus auch entsprang.
    »Weißt du
noch?« Und unter dem Zauber seiner Stimme verschwanden die kahlen Wände des
kleinen Kontors. Die Jahre rollten zurück. Sie ritten wieder auf schmalen Wegen
zusammen über Land, durch einen längst vergangenen Frühling. Während er sprach,
drückte er ihre Hand fester, seine Stimme hatte das schwermütig Berückende eines
halb vergessenen Liedes. - Sie hörte wieder das lustige Geklingel der
Geschirre. Sie reiten unter Ligusterbüschen zu Tarletons zum Gartenfest. Wie
lacht sie sorglos, wie glitzert die Sonne auf seinem silbriggoldenen Haar, wie
stolz sitzt er zu Pferde in seiner lässigen Anmut! In seiner Stimme klingt
Musik, die Musik der Geigen und Banjos, nach denen in dem weißen Hause getanzt
wird. Von der fernen dunklen Flußniederung her

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