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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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nur und ließ sich im übrigen nicht aus der Ruhe bringen.
    Ja, die fromme Jungfer Odile! Über Rivalinnen soll man ja nichts Schlechtes sagen, aber die Wahrheit über diese Frau sah folgendermaßen aus: Odile hauste wie eine Einsiedlerin in einer alten Holzhütte, direkt unterhalb des Hauses von Simone Leclerque - nebst einem guten Dutzend scheckiger Ziegen, mit denen sie sich unterhielt. Die Tiere ihrerseits passten ihr Gemecker dem jeweiligen Tonfall der Frau an. dass sie gemeinsam sogar das Ave Maria beteten, wie es der junge Joseph Croton gehört haben will, der einen Sommer lang die Ziegen und Schafe aus dem Dorf auf die Weiden geführt hatte, als der bucklige Jean mit einem Beinbruch im Bett lag, halte ich allerdings für wenig glaubhaft.
    Dennoch war das Verhalten dieser Frau mehr als sonderbar. Hatte sie im Tal Besorgungen zu machen – was selten genug vorkam -, so schlich sie sich mit dem letzten Sternenlicht den Berg hinunter und kam erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder zurück. So seltsam wie sie war, sah sie auch aus. Henriette Nodier, die ein spöttisches Mundwerk hat, vermutete, als wir eines Tages zusammen die Wäsche auf der Gemeindewiese zum Bleichen ausbreiteten, dass sie die Haare mit einer stumpfen Schere abschnitt, denn sie sah stets wie ein gerupftes Huhn aus. Dies wiederum bestätigte Simone, die sie als einzige im Ort öfter ohne Kopfbedeckung zu Gesicht bekam, wenn sie aus ihrem Schlafzimmerfenster verstohlen in Odiles verwilderten Obstgarten hinuntersah. Schon kurz nach Bérengers Amtsantritt war das Gerücht aufgekommen, dass sich die Odile in den „Neuen“ verliebt haben müsse. Im Nu spottete das ganze Dorf darüber. Es war allerdings kaum zu leugnen: Odile, die Frau mit dem grünen Hut, die seit Bérengers Ankunft keine einzige Messe mehr ausließ, saß verzückt auf ihrem einsamen Platz am Rande der letzten Bank und himmelte den Priester geradezu an.

    „Was hast du denn nun Antoines Pergament entnommen?“ fragte ich Bérenger ein zweites Mal.
    Bérenger zuckte zusammen. „Sei doch nicht so laut, ich bitte dich, Marie!“
    „Entschuldige. Mir scheint, du fürchtest dich weniger vor der frommen Odile als vor den Klappermännern aus dem Totenacker, ist es nicht so?“ flüsterte ich.
    Wiederum lachte er nur kurz auf. Das Metermaß schien ihn mehr zu beschäftigten als meine spöttischen Einwürfe.
    „Marie“ - endlich drehte sich Bérenger zu mir um -, „es fehlt dir entschieden an Respekt. Hast du zu tief in Émilies Brombeerlikör geschaut?“
    „Keinen Tropfen habe ich angerührt, Ehrenwort.“
    „Klappermänner, Brombeerlikör, die fromme Odile.“ Stöhnend richtete sich Bérenger auf, rieb sich den schmerzenden Rücken und lehnte sich dann an einen Pfeiler. „Hör mir gut zu: Wenn nicht tatsächlich ein Scherzbold am Werke war, wie ich es Antoine hoffentlich erfolgreich eingeredet habe, so werden wir heute nacht eine große Entdeckung machen, Marie, wir beide ganz allein. Und nun gib acht!“
    Zielstrebig schritt er zu der Stelle, an der der alte Baluster gestanden hatte.
    „Leuchte mir, Mädchen, und sei ausnahmsweise eine Weile still!“ sagte er jetzt ernst.
    Bérenger fing an, ringsum weitere Bodenplatten zu untersuchen. Die ersten klangen gleichmäßig dumpf, doch dann kam eine, die sich etwas heller anhörte. Der Stein war auch größer als die anderen und weniger glatt und abgetreten. Er befand sich unweit desjenigen, der beim Abnehmen der Altarplatte zerbrochen worden war.
    „Na also“, sagte Bérenger. „Wenn mich nicht alles täuscht ... Komm näher heran mit dem Licht, Marie! Knie dich neben mich, damit ich meinen Plan mit der Lage der Steinplatte vergleichen kann. Ja, gut so ... gut so ...“, brummte er und tastete nun, Zentimeter für Zentimeter, die Fugen um die Platte ab.
    „Merde!“ flüsterte er plötzlich und biss sich auf die Unterlippe.
    „Was ist los, Bérenger?“
    „Zittere doch nicht so mit der Kerze!“ fuhr er mich an. „Nirgends ist eine Stelle zu entdecken, wo man die Steinplatte anheben könnte. Wir müssen wohl oder übel mit roher Gewalt ans Werk gehen.“
    Er nahm mir die Kerze aus der Hand und schritt entschlossen zur Sakristei. Mich, Odile und die modrigen Klappermänner ließ er im Dunkeln zurück.
    Als er wiederkam, hatte er ein Brecheisen, einen Pickel und eine Schaufel bei sich. Vorsichtig hob er mit dem Brecheisen die Bodenplatte an. Stück um Stück schob sie sich in die Höhe. Plötzlich hielt er inne. Er hieß

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