Marienplatz de Compostela (German Edition)
polizeilichen Ermittlungen informieren musste.«
Siebls Augen waren leblos und er sprach ohne Erregtheit. »Er war mir von Anfang an zuwider, dieser kleine intrigante Kerl. Ein widerwärtiger Kretin, mit seinem leisen Lispeln und dieser falschen, hündischen Anbiederung.«
»In der Tat, in der Tat. Aber du bist im Moment wirklich nicht in der Lage die Geschäfte zu führen. Diese Frau Gnotze möchte ich von jeglichem Einfluss fernhalten. Und – ich kann es dir nicht ersparen festzustellen, dass du es warst, der die beiden eingestellt hat. Diese Gnotze, also – das habe ich nie verstanden. Eine Frau, die mit jedem zweiten Satz ihre soziale Inkompetenz dokumentiert. Wie ist das noch? Sie lebt mit ihrer Mutter zusammen? Na ja, was geht es mich an«, Doktor Schott atmete erschöpft aus, hielt inne und sah auf Siebl. Es war nicht der Augenblick, um über die Vergangenheit reden. Sein Ton wurde wieder verständnisvoller. »Egal jetzt. Du bleibst erst einmal weg und kümmerst dich um deine familiären Angelegenheiten. Und um dich, denn du siehst schrecklich aus. Weißt du, wo du ihn suchen wirst?«
»Ja. Es gibt einige Adressen.«
»Gut.« Er ließ eine Pause entstehen und sah Siebl an.
Der hatte die Augen gesenkt auf den Boden gerichtet und wurde dieser Ruhe erst nach einer ganzen Weile gewärtig. Er sah sein Gegenüber an und zuckte mit den Schultern. »Was?«
Doktor Schott sprach leise. »Ja, was denkst du? Hat er etwas mit der Sache zu tun?«
Siebl blieb ihm die Antwort schuldig. Er ließ auch die Frage unbeantwortet, ob sie schon einen Anwalt eingeschaltet hätten.
Er war aufgestanden und ohne weitere Worte gegangen.
Schott hatte ihn, wie ein treuer Freund es tut, über den weitläufigen Perserteppich hinweg bis zur schweren, hölzernen Bürotür begleitet, ihm dort sanft und mitfühlend auf die Schultern geklopft. »Du kannst dich auf mich verlassen, Rudolf«, hatte er gesprochen, »du kannst dich auf mich verlassen.«
Sie hatten einander nicht mehr angesehen und Schott verfolgte, wie Siebl aus dem Vorzimmer verschwunden war. Ein Schatten, dachte er, ein Schatten seiner selbst.
Lange Zeit hatte Schott danach im bequemen Sessel gesessen und nachgedacht. Intensiv nachgedacht. Bis er durch Marianne gestört wurde, die leise an die Tür klopfte und eintrat, ohne auf ein Signal dazu zu warten. Sie sah betreten drein. »Herr Doktor Schott. Die Kanzlei hat soeben angerufen. Der Auflösungsvertrag für Herrn Siebl wäre fertig und er liegt uns im Entwurf vor. Die Frage der Abfindung ist noch nicht geklärt – soll ich ihn ausdrucken lassen, dass Sie Ihre Änderungswünsche vermerken können?«
Schott war aufgestanden und ans Fenster getreten. Er drehte sich nicht um, sondern blieb mit seinem Blick am Zaun haften, der den Park zur Straße hin abgrenzte. Ein paar Kinder sprangen am Gehsteig herum. Die Zeder warf einen breiten Schatten. »Ja … ja«, sagte er leise, »legen Sie ihn mir vor, aber heute muss es nicht mehr sein. Wir warten noch ein paar Tage.«
Vielleicht ergaben sich ja Wendungen, die diesen Auflösungsvertrag überflüssig machten und damit die Abfindung. Doktor Schott bevorzugte in jeder Lebenslage die eleganten Varianten. Er wollte warten. Immer höflich warten.
Irritiert drehte er sich um. Er hatte das leise Geräusch erwartet, das entstand, wenn Marianne die Tür ins Schloss zog. Tatsächlich stand sie noch da.
»Ist sonst noch was, Marianne?«
»Ja. Ihre Frau hat vorhin angerufen. Sie ist die nächsten Tage über beim Training und sie lässt fragen wegen der Jagdgesellschaft am Wochenende.«
Doktor Schott schnaufte schwer. Nichts schien ihm mehr Schwierigkeiten zu machen als die Entscheidung zu dieser Jagdgesellschaft zu gehen, oder nicht. Er winkte müde ab. »Nein, Marianne, nein. Geben Sie bitte Bescheid. Keine Zeit. Es sind zu wichtige Dinge zu erledigen im Moment. Keine Zeit.«
Marianne blieb.
»Noch etwas?«
»Ja. Eine Frau Saiter angerufen … vom Landeskriminalamt. Sie möchte mit Ihnen sprechen.«
Schott machte einen überraschten Gesichtsausdruck. Das war schnell gegangen. Nun gut, es war so, wie es war. Auch diese Tage würden vorübergehen.
Sein Gesicht bekam einen vorwurfsvollen Zug. »Will sie denn heute noch kommen?«
»Nein, das nicht, aber morgen … sie hat sich nicht …«
Schott lächelte nachsichtig. »Ist schon gut, Marianne. Aber morgen ist Freitag, da ist es unpassend, so direkt vor dem Wochenende Gespräche mit der Kriminalpolizei zu führen. Man
Weitere Kostenlose Bücher