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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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gelöscht], Ermittler des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz:
    Bei der Quelle handelt es sich um einen türkischen Arzt, der seit kurzem in Hamburg lebt und in einer Gemeinschaftspraxis mit muslimischem Patientenstamm tätig ist. Kurz nach der Ankunft In Deutschland erklärte sich die Quelle gegenüber genanntem Agenten bereit, für das Landesamt zu spionleren. Motivation: Gutstellung mit den Landesbehörden. Bezahlung: erfolgsabhängig.
    Aussage der Quelle:
    »Am vergangenen Freitag besuchte ich zum Mittagsgebet die Othman-Moschee, die Ihnen für ihre gemäßigte Haltung gut bekannt Ist. Beim Verlassen der Moschee wurde Ich von einer mir unbekannten Türkin angesprochen. Sie bat mich um ein vertrauliches Gespräch in einer dringenden Angelegenheit, wollte aber weder in meiner Praxis noch auf der Straße mit mir reden. Sie war etwa Mitte fünfzig, stämmig, mit grauem Kopftuch, vermutlich blond, labil.
    Im Zwischengeschoß der Moschee gibt es ein Büro, in das sich Imame und auswärtige Würdenträger zurückziehen können, Es war leer. Kaum waren wir dort eingetreten, begann sie wortreich, aber nach meiner Meinung nicht wahrheitsgemäß auf mich einzureden. Der Sprache nach war sie bäuerlicher Herkunft, aus dem Nordosten der Türkei. Ich würde sagen, daß ihre Schilderung sachliche Widersprüche enthielt. Außerdem weinte sie viel, ich vermute, um mein Mitleid zu erregen. Ich hatte den Eindruck, daß sie eine listige Frau ist, die genau weiß, was sie will.
    Ihre Geschichte, die ich nicht glaube, war folgende: Sie lebe legal In Hamburg, sei aber nicht eingebürgert. Bei ihr wohne zur Zeit ein Neffe, ein frommer Muslim wie sie selbst. Er sei ein nervöser junger Mann, gerade dreiundzwanzig geworden, der an hysterischen Anfällen, hohem Fieber und Erbrechen leide und unter schwerer seelischer Belastung stehe. Viele seiner Probleme rührten aus seiner Jugend her, in der er von der Polizei oft als Unruhestifter verprügelt worden sei; auch sei er in einer Spezialkllnik für Delinquenten eingesperrt und dort mißhandelt worden. Trotz der erheblichen Mengen an Nahrung, die er zu jeder Tages- und Nachtzeit verzehre, sei er ausgemergelt und hochgradig angespannt; er laufe nachts in seinem Zimmer auf und ab und führe Selbstgespräche. Während seiner nervösen Erregungszustände komme es bei ihm zu Wutausbrüchen und Drohgebärden, aber sie habe keine Angst vor ihm, da ihr Sohn Boxchampion im Schwergewicht sei. Bei einer körperlichen Auseinandersetzung sei ihr Sohn noch nie besiegt worden. Trotzdem wäre sie mir dankbar, wenn Ich ihm ein Beruhigungsmittel verschreiben würde, damit er schlafen und sein seelisches Gleichgewicht wiederfinden könne. Er sei ein guter Junge, der eines Tages Arzt werden wolle, wie ich.
    Ich schlug ihr vor, den Jungen zu mir in die Praxis zu bringen, aber sie sagte, er würde nicht mitkommen: er sei zu krank, außerdem würde sie ihn nie dazu überreden können, und überhaupt wäre es für alle Beteiligten zu gefährlich, und sie würde es nicht erlauben. Diese drei unterschiedlichen Ausflüchte schienen mir nicht miteinander vereinbar und bestätigten mich in meiner Überzeugung, daß sie log.
    Auf meine Frage, was daran denn gefährlich sei, wurde sie noch aufgeregter. Ihr Neffe habe keinerlei Papiere, sagte sie, wobei sie ihn inzwischen nicht mehr als Ihren Neffen, sondern als ihren Gast bezeichnete. Er könne sich nicht auf die Straße wagen, ohne eine Verhaftung zu riskieren, und dann würde ihr und ihrem Sohn die Abschiebung drohen, denn jetzt sei ja auch ihr verstorbener Mann nicht mehr da, um die Polizei zu bestechen. Ich hatte den Eindruck, sie konnte sich gar nicht mehr bremsen.
    Meinen Vorschlag, einen Hausbesuch bei ihr zu machen, lehnte sie mit der Begründung ab, für jemanden in meiner Position sei dies zu gefährlich. Außerdem wolle sie sich nicht in Gefahr bringen, indem sie mir ihre Adresse gebe.
    Als ich sie fragte, wo die Eltern des Jungen seien, antwortete sie, soweit sie ihn verstehen könne, seien sie tot. Erst habe der Vater die Mutter getötet, dann sich selber erschossen. Daher rührten die Seelenqualen des Jungen. Als ich sie fragte, wie es komme, daß sie Schwierigkeiten habe, ihren Neffen zu verstehen, antwortete sie, daß er in seinem Wahn nur russisch spreche. Dann nahm sie zweihundert Euro aus ihrer Handtasche und wollte dafür ein Rezept von mir. Als ich mich weigerte, das Geld anzunehmen und das Rezept auszustellen, stieß sie einen ärgerlichen

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