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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Ruf aus und lief die Treppe hinunter.
    Ich habe mich in der Moschee erkundigt. Niemand scheint diese seltsame Frau zu kennen. Als Befürworter der Integration und Gegner jeglicher terroristischen Akte erachte ich es als meine Pflicht, den Behörden dieses Vorkommnis zu melden, da ich den Verdacht hege, daß die Frau einem unerwünschten und möglicherweise radikalen Individuum Unterschlupf gewährt.«
    »Soweit zufrieden, Günther?« fragte Mohr, der ihn mit seinen Schweinsäuglein gespannt beobachtete. »Soweit alles klar?«
    »Ist das die vollständige Aussage?« fragte Bachmann.
    »Die gekürzte. Die vollständige ist länger.«
    »Kann ich sie sehen?«
    »Quellenschutz, Günther. Quellenschutz.« Dr. Otto Keller schien nicht zuzuhören. Vielleicht meinte er, er dürfe nicht. Wie so viele seiner Art war er von der Ausbildung wie von der Weltanschauung her Jurist. Seine Menschenführung bestand weniger darin, seine Mitarbeiter zu motivieren, als darin, ihnen mit dem Gesetzbuch zu drohen, der einzigen Waffe, die er kannte.
    Bericht Nr. 2
    Auszug aus einem Bericht von [Name gelöscht], Mitarbeiter des BKA, erstellt auf Bitten des Landesamtes für Verfassungsschutz:
    »Festgestellt werden sollte die Identität eines legal in Hamburg lebenden türkischen Schwergewichtsboxers, der nicht eingebürgert ist, dessen Vater verstorben Ist und auf dessen Mutter die Beschreibung der Quelle paßt. Nachforschungen ergaben, daß es sich bei dem Gesuchten möglicherweise um Melik Oktay, 20, handelt, bekannt als Big Melik. Melik Oktay ist amtierender Boxmeister im Schwergewicht sowie Kapitän der Fußballmannschaft Türkische Tiger.
    Im Muslimischen Sportcenter Altona ausgehängte Lichtbilder zeigen Big Melik mit einem schwarzen Trauerflor an der Boxerhose. Melik Oktay ist der Sohn der legal in Deutschland lebenden türkischen Staatsbürger Gül und Leyla Oktay. Gül Oktay verstarb 2007 und wurde nach islamischem Ritus auf dem muslimischen Friedhof Hamburg-Bergedorf beigesetzt. Melik und seine verwitwete Mutter bewohnen nach wie vor das familieneigene Reihenhaus in Hamburg, Heldering 26.«
    Anhang
    Auszug aus der Akte OKTAY, Melik, geboren 1987 in Hamburg.
    Alter – 13 Jahre. Mutmaßlicher Anführer einer Bande nichtdeutscher Jugendlicher, die sich die Dschingis Kids nennen. Verwicklung in gewalttätige Auseinandersetzungen mit fremdenfeindlichen Gleichaltrigen. Wegen Strafunmündigkeitzwei Ermahnungen.
    Alter – 14 Jahre. Befürwortet während einer Unterrichtsdiskussion die Vertreibung amerikanischer Truppen aus allen muslimischen Ländern, auch aus der Türkei und Saudi-Arabien.
    Alter – 15 Jahre. Läßt sich einen Bart wachsen und beginnt, sich islamisch zu kleiden.
    Alter – 16 Jahre. Islamischer U-18-Melster im Boxen und Schwimmen. Wahl zum Vorsitzenden seines muslimischen Sportvereins. Rasiert sich wieder, kehrt zu westlicher Kleidung zurück. Schließt sich als Schlagzeuger einer muslimischen Rock-Band an.
    Moschee-Besuche: Engerer Kontakt zu dem sunnitischen Imam der Abu-Bakr-Moschee in der Viereckstraße. Nach dessen Abschiebung nach Syrien und der Schließung der Moschee im Dezember 2003, soweit bekannt, kein weiteres Festhalten an radikalislamischen Überzeugungen.
    »Die tauchen ab«, erklärte Mohr, als Bachmann den Bericht weglegte und nach dem nächsten greifen wollte.
    »Wer taucht ab?« fragte Bachmann ehrlich verwirrt.
    »Wie die Kommunisten früher. Da gibt’s ein Kadertreffen, sie werden indoktriniert, sie werden Fanatiker. Sie tauchen ab und tun so, als ob sie keine Fanatiker mehr wären. Sie sind Schläfer«, sagte er, als hätte er den Begriff eben erst erfunden. »Dieser Sportverein – und das haben wir von einem hundertprozentig zuverlässigen Informanten, der den Club als Mitglied infiltriert hat und uns mit Material beliefert, erstklassiges Material, nichts Aufgebauschtes – der Sportverein, wo dieser Oktay so bewundert wird, ist nach Ansicht meines Informanten eine Tarnorganisation. Sie boxen, sie ringen, sie trainieren, sie halten sich fit und reden über Mädchen. Und in der größeren Gruppe kompromittieren sie sich wohlweislich nicht mit fanatischen Aussagen, weil ihnen völlig klar ist, daß irgendeiner von uns zuhört. Aber im geheimen – wenn sie zu zweit oder zu dritt sind, wenn sie beim Kaffee sitzen oder bei Oktay zu Hause – sind sie Islamisten. Militante. Und hin und wieder – das haben wir von demselben hervorragenden Informanten – macht sich der eine oder andere von ihnen, ein

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