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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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ausgewähltes Mitglied der Gruppe, heimlich davon. Und wohin geht er? Nach Afghanistan! Nach Pakistan! In die Madrasas. In die Ausbildungslager! Und wenn er wieder zurückkommt – ist er ausgebildet. Ausgebildet, aber ein Schläfer. Lesen Sie den Rest, Frau Frey. Bilden Sie sich kein Urteil, bevor Sie nicht zu Ende gelesen haben. Wir müssen objektiv bleiben. Wir dürfen nicht voreingenommen sein.«
    »Waren wir uns nicht einig, daß es mein Fall ist, Arni?« fragte Bachmann.
    »Ist es ja, Günther. Unbedingt! Dein Fall! Deshalb bist du hier. Aber nur weil es dein Fall ist, müssen wir uns noch lange nicht Augen und Ohren zuhalten. Wir sehen zu, wir hören zu – aber wir mischen uns nicht ein. Wir agieren parallel zu dir. Wir kommen dir nicht ins Gehege und du uns nicht. Wir teilen unsere Informationen. Dieser Melik Oktay fliegt bald in die Türkei zu einer Hochzeit – theoretisch. Mit seiner Mutter, ganz klar. Wir haben das natürlich überprüft. Eine solche Hochzeit wird stattfinden. Die seiner Schwester. Keine Frage. Aber nach der Hochzeit – oder davor – setzt er sich ab. Wohin? Denn verschwinden wird er auf jeden Fall, auch wenn es vielleicht nur für ein paar Tage ist. Und die Mutter, was macht die? Sucht sich noch mehr junge Burschen, die sie um sich scharen kann – möglicherweise. Schon gut. Du hast ja recht. Das sind bloße Indizien. Bloße Hypothesen. Aber wir werden dafür bezahlt, daß wir hypothetisch denken. Also denken wir hypothetisch. Hypothetisch und objektiv. Ohne Vorurteile.«
    Bericht Nr. 3
    Operation FELIX. Bericht der Observationseinheit des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz
    Bachmann hatte die Wut hinter sich gelassen und einen Zustand operativer Ruhe erreicht. Ob es ihm gefiel oder nicht: Informationen waren Informationen. Sie waren unter Mißachtung ihrer Vereinbarung beschafft und ihm so spät vorgelegt worden, daß er nicht mehr darauf reagieren konnte. Aber zu seiner Zeit hatte er sich in genügend Fällen ähnliches geleistet. Hier gab es etwas zu holen, und er wollte es haben.
    Mögliches Sichtungsdatum: vor siebzehn Tagen: Ein Mann, auf den die Beschreibung von FELIX zutrifft, lungert vor der größten Hamburger Moschee herum. Bilder der Überwachungskamera uneindeutig. Zielperson beobachtet Gläubige, die die Moschee betreten und verlassen. Zielperson entscheidet sich für Ehepaar mittleren Alters, das auf dem Weg zu seinem Auto ist, und folgt ihm in zehn Metern Abstand. Als ZP auf Farsl gefragt wird, was sie will, dreht sie sich um und flüchtet. Das Ehepaar hat FELIX Inzwischen anhand eines Fahndungsphotos identifiziert.
    Anmerkung des Ermittlers: Falsche Moschee? Moschee ist schiitisch. Ist FELIX Sunnit?
    Anmerkung des Sachbearbeiters: Quellen berichten von einer ähnlichen Person, die später am selben Tag vor zwei weiteren Moscheen gesichtet wurde, beide sunnitisch. Quellen können FELIX nicht eindeutig identifizieren.
    »Wen zum Teufel sucht der Junge?« sagte Bachmann leise zu Erna Frey, die ihn inzwischen um mehrere Seiten abgehängt hatte. Keine Antwort.
    Bericht Nr. 3 (Fortsetzung)
    Melik Oktay arbeitet aushilfsweise in der Gemüsehandlung eines Cousins, außerdem als Teilzeitkraft in der Kerzenfabrik seines Onkels. Informellen Nachforschungen zufolge kam es In den vergangenen zwei Wochen verstärkt zu beruflichen Fehlzeiten. Dafür angegebene Gründe lauteten:
    Er sei erkältet.
    Er müsse für einen Boxkampf trainieren.
    Er habe einen unerwarteten Hausgast, dem er Respekt erweisen müsse.
    Seine Mutter habe Depressionen.
    Leyla Oktay soll laut Aussagen von Nachbarn in der gleichen Zeit ein erregbares Verhalten an den Tag gelegt und angedeutet haben, Allah habe ihr ein wertvolles Geschenk gemacht, ohne aber zu erklären, worum es sich dabei handle. Sie kaufe in großem Stil Lebensmittel ein, lasse aber niemanden in ihr Haus, da sie angeblich einen kranken Verwandten pflegen müsse. Sie wird als politisch naiv beschrieben, aber dabei als »verschlossen«, »undurchschaubar« sowie von einer Ihrer Nachbarinnen als »radikal, manipulativ und erfüllt von unterschwelligen antiwestlichen Ressentiments«.
    »Und jetzt sieh dir an, was passiert ist«, drängte Mohr Bachmann.
    Bachmann mußte die neue Sachlage erst einmal verarbeiten. Mohr hatte das Haus der Oktays observieren lassen, rund um die Uhr, ohne ein Wort zu ihm. Mohr hatte der Hamburger Polizei nahegelegt, der Familie einen »vertrauensbildenden« Besuch abzustatten, um nach Möglichkeit den

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