Marissa Blumenthal 02 - Trauma
achselzuckend fort, »jedenfalls kann uns keiner vorwerfen, wir hätten uns nicht bemüht. Leider haben wir damit wieder 10.000 Dollar aus dem Fenster geworfen.«
»Gib mir Kraft!« flüsterte Marissa.
»Hast du Hunger?« fragte Robert. »Mir knurrt schon der Magen. Wie wär’s, wenn wir irgendwo essen gehen? Vielleicht tut uns das gut. Außerdem müssen wir ja noch deinen Sieg vor Gericht feiern. Ich weiß, das tröstet dich nicht darüber hinweg, daß du nicht schwanger geworden bist, aber es ist doch immerhin etwas.«
»Geh doch allein!« sagte Marissa. Sie war nicht zum Feiern aufgelegt. Außerdem war sie überzeugt, daß ihr »Sieg vor Gericht«, wie er es ausdrückte, in Wirklichkeit nichts anderes als ein geschicktes Verschleierungsmanöver war. Und sie wollte sich auch dafür revanchieren, daß er die 10.000 Dollar zur Sprache gebracht hatte.
»Wie du meinst«, sagte Robert und zog sich zurück. Marissa stand auf und schloß die Tür hinter ihm. Ein paar Minuten später hörte sie gedämpfte Geräusche. Robert machte sich in der Küche selber etwas zu essen.
Marissa überlegte, ob sie ihm nachgehen sollte. Vielleicht wäre es gut, wenn sie das Gespräch mit ihm suchte. Dann schüttelte sie den Kopf. Sie würde es ja doch nicht fertigbringen, ihm ihr Interesse an der Verbreitung der tuberkulösen Eileiterinfektion begreiflich zu machen, und teilen würde er es schon gar nicht. Seufzend nahm Marissa auf dem zweisitzigen Sofa Platz und vertiefte sich in den Artikel, den Cyrill ihr gegeben hatte. Er hatte recht, es war ein guter Artikel.
Die 23 Fälle, die man an der Klinik in Brisbane behandelt hatte, waren denen in der Frauenklinik ähnlich. Die Klinik nannte sich Female Care Australia, abgekürzt FCA. Wie in den fünf Fällen, die Marissa aus Boston kannte, waren die australischen Patientinnen im Alter zwischen 20 und 30 oder etwas darüber. Sie gehörten zur Mittelklasse und waren verheiratet. Bis auf eine waren es sämtliche Weiße. Die Ausnahme bildete eine 31jährige Chinesin, die vor kurzem aus Hongkong ausgewandert war.
Das Läuten des Telefons schreckte sie auf. Doch sie las weiter. Wahrscheinlich war es doch nur ein Anruf für Robert.
Beim Weiterlesen erfuhr Marissa, daß die Diagnose nur auf Grund der aus den Eileitern entnommenen Gewebeproben gestellt worden war, da keine Organismen gefunden oder auf Kulturen gezogen werden konnten. Durch Röntgenuntersuchungen der Lungen und Bluttests wurden Pilzbefall und Sarkome ausgeschlossen.
Im Diskussionsanhang stellte der Autor die These auf, daß das Problem durch wachsende Einwanderung aus Südostasien entstanden sei, äußerte sich aber nicht darüber, wie das im einzelnen vonstatten gegangen sein konnte.
»Marissa!« schrie Robert, »Anruf für dich! Cyrill Dubchek!« Marissa schnappte sich den Hörer.
»Entschuldige die späte Störung«, sagte Cyrill. »Aber bei der Rückkehr habe ich im CDC weitere Informationen vorgefunden, die für dich von Interesse sein könnten.«
»Ja?« sagte Marissa.
»Diese tuberkulösen Eileitererkrankungen beschränken sich nicht allein auf die USA und Australien«, sagte Cyrill. »Sie sind auch in Westeuropa aufgetreten, ebenfalls mit weiter Streuung. Also keine Ballungsgebiete wie in Brisbane. Aus Südamerika oder Afrika wurden noch keine Fälle bekannt. Ich weiß nicht, was man davon halten soll. Deshalb überlasse ich es dir. Wenn ich noch mehr höre, rufe ich ASAP an. Du hast mich jetzt neugierig gemacht. Sag mir Bescheid, sobald du eine Theorie entwickelt hast!«
Marissa bedankte sich nochmals für seinen Anruf. Dann verabschiedeten sie sich voneinander. Diese neue Information war außerordentlich bedeutungsvoll. Sie bewies, daß das Auftreten der tuberkulösen Eileiterinfektion nicht länger als statistischer Einzelfall anzusehen war. Sie fand vielmehr in internationalem Maßstab statt. Das hatte sogar Cyrills Neugier gereizt. Für den Augenblick vergaß Marissa allen Kummer und Ärger und ihre Müdigkeit.
Marissa erwog die verschiedenen Möglichkeiten. Konnte Tbc etwa zu einer Geschlechtskrankheit mutiert sein? Konnte es beim Mann zu einer schlummernden Infektion geworden sein wie bei einigen Fällen von Chlamydia und Mycoplasma? Sollte sie darauf bestehen, daß Robert sich untersuchen ließ? Könnte er sich die Krankheit auf einer seiner Geschäftsreisen geholt haben? Diese Vorstellung gefiel Marissa wenig. Doch hier war wissenschaftliches Denken am Platz.
Marissa griff zum Telefonhörer und rief
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