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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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nicht nur verschwenderisch, sondern auch korrumpierend, da alles sinnvolle Geld bei einer solchen Manipulation verzerrt wird.« Sie machte eine angewiderte Geste.
    »Nun gut«, sagte Vlad, »wir können sagen, daß der Wirkungsgrad dort sehr gering ist und daß sie aus dem System Nutzen ziehen ohne eigene Raubtiere, so daß sie entweder auf der Spitze der Kette stehen oder Schmarotzer sind, je nachdem, wie man es definiert. Werbung, Banking, manche Arten von Manipulation des Rechts, manche Politik...«
    »Aber das sind doch alles subjektive Urteile!« rief John. »Wie habt ihr Kalorienwerte einer solcher Mannigfaltigkeit von Aktivitäten praktisch zugeordnet?«
    »Nun, wir haben unser Bestes getan, um zu berechnen, was sie dem System zurückgeben in Form von physikalisch gemessenen Wohltaten. Was kommt der Aktivität gleich in Formen von Nahrung oder Wasser oder Obdach oder medizinischer Hilfe oder Bildung oder Freizeit? Wir haben das durchgesprochen, und gewöhnlich hat ein jeder in Acheron eine Zahl angegeben, und wir haben das Mittel gebildet. Hier, laß mich dir zeigen...«
    Und sie redeten dann den ganzen Abend darüber vor dem Computerschirm, und John stellte Fragen und stöpselte Pauline ein, um die Schirmbilder und Debatten aufzuzeichnen. Dann gingen sie die Gleichungen durch und zeigten mit den Fingern auf die Flußdiagramme. Dann machten sie eine Kaffeepause und nahmen es vielleicht mit auf den Grat empor, um durch das ganze Gewächshaus zu spazieren und heftig über den menschlichen Wert in Kilokalorien zu diskutieren für Installationsarbeit, Opernaufführungen, Simulationsprogramme und dergleichen. Sie befanden sich eines Abends vor Sonnenuntergang tatsächlich auf dem Grat, als John von der Gleichung auf seinem Armbandgerät aufschaute und den langen Hang nach Olympus Mons emporblickte.
    Der Himmel war dunkel geworden. Es kam ihm so vor, als gäbe es wieder eine doppelte Sonnenfinsternis. Phobos war so nahe über den Köpfen, daß er ein Drittel der Sonne verdeckte, als er vor ihr durchging, und Deimos etwa ein Neuntel. Und ein paarmal im Monat gingen sie zur gleichen Zeit durch und ließen einen Schatten über das Land fallen, als ob einem etwas ins Auge geraten wäre oder man einen schlechten Gedanken gehabt hätte.
    Aber dies war keine Sonnenfinsternis. Olympus Mons war außer Sicht, und der Südhorizont war eine unscharfe bronzefarbene Schranke. »Seht euch das an!« sagte er zu den anderen und zeigte hin. »Ein Staubsturm.« Sie hatten seit mehr als zehn Jahren keinen globalen Staubsturm mehr erlebt. John rief die Fotos der Wettersatelliten auf seinem Armbandgerät ab. Der Ursprung des Sturms war nahe dem Thaumasia-Mohole gewesen in Senzeni Na. Er rief Sax an und sah, daß er philosophisch blinzelnd seine Überraschung in sanften Tönen ausdrückte.
    »Die Winde an der Kante des Sturms erreichten bis zu sechshundertsechzig Kilometern pro Stunde«, berichtete Sax. »Ein neuer planetarer Rekord. Dies scheint ein großer zu werden. Ich dachte, daß die kryptogamen Böden in den Entstehungszonen des Sturms ihn gemildert oder sogar angehalten hätten. Offenbar stimmt an diesem Modell etwas nicht.«
    »Okay, Sax, das ist sehr schlimm; aber das geht schon in Ordnung. Ich muß herausfinden, warum er jetzt direkt auf uns zuläuft, und ich möchte zuschauen.«
    »Viel Spaß!« sagte Sax mit unbewegter Miene, als John ihn ausschaltete. Vlad und Ursula machten sich über Saxens Modell lustig. Temperaturgradienten würden zwischen biotisch aufgetautem Boden und den restlichen gefrorenen Gebieten größer sein denn je und die Winde dazwischen entsprechend heftiger, so daß sie, wenn sie schließlich auf lockeren Grus träfen, losbrechen würden. Völlig einleuchtend.
    »Jetzt ist das also passiert«, sagte John. Er lachte und ging durch das Gewächshaus, um das Herannahen des Sturms selbst zu beobachten. Wissenschaftler konnten so hartnäckig sein.
    Die Staubwand rollte die langen Lavahänge der nördlichen Umgebung vom Olympus Mons herunter. Sie hatte schon das sichtbare Land halbiert, seit John sie zum ersten Mal erblickt hatte, und jetzt erschien sie wie ein gigantischer Brecher, eine wulstige, zehntausend Meter hohe Welle in der Farbe von Milchschokolade, auf der bronzefarbener Gischt auf und ab schäumte und große gebogene Streifen in dem rosa Himmel darüber erzeugte. »Oha!« schrie John. »Hier kommt es!« Plötzlich schien sich der Grat des Acheronsporns hoch über den langen engen Canyons der Fossae

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