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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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darunter zu befinden; und tiefer gelegene Felskanten ragten wie Drachenrücken aus der zerklüfteten Lava. Eine wilde Stelle, um von da aus den Ansturm eines solchen Orkans zu beobachten. Zu hoch, zu exponiert. John lachte wieder und preßte sich gegen die südlichen Fenster des Gewächshauses, blickte nach unten, außen und um sich und brüllte: »Oha! Schaut, wie er läuft!«
    Und dann wurden sie plötzlich überwältigt. Staub flog über sie weg, es trat Finsternis ein, und es ertönte ein hohes zischendes Kreischen. Der erste Ansturm gegen den Acherongrat erzeugte wilde Turbulenz und schnelle zyklonische Wirbel, die auftauchten und verschwanden, horizontal, vertikal, schräg zu den wenigen steilen Rinnen im Grat. Das allgemeine Gekreisch wurde betont durch Getöse, als diese Störungen auf das Gestein prallten und zusammenbrachen. Dann beruhigte sich der Wind mit traumhafter Schnelligkeit zu einer sanften stehenden Welle, und der Staub raste an Johns Gesicht vorbei. Seine Magengrube hob sich, als ob das Gewächshaus plötzlich mit heftiger Geschwindigkeit fiele. Offenbar hatte die Klippe einen wilden Aufwind erzeugt. Als John aber zurücktrat, sah er den Staub über sich fort und dann nach Norden strömen. Auf dieser Seite des Gewächshauses konnte er ein paar Kilometer weit sehen, ehe der Wind wieder in den Boden prallte und die Sicht durch ständige Staubexplosionen abschnitt. »Oha!«
    Seine Augen waren trocken, und sein Mund fühlte sich etwas verklebt an. Viele Teile vom Grus waren kleiner als ein Mikron. War das da auf den Bambusblättern ein schwacher Schimmer davon? Nein. Nur das eigenartige Licht des Sturms. Aber schließlich würde auf allem Staub liegen. Keine Dichtung konnte ihn abhalten.
    Vlad und Ursula trauten nicht völlig der Widerstandsfähigkeit des Gewächshauses gegenüber dem Wind und rieten allen, sich nach unten zu begeben. Auf dem Weg dahin stellte John wieder Verbindung mit Sax her. Der hatte den Mund noch stärker zusammengepreßt als sonst. Sie würden mit diesem Sturm sehr viel Sonneneinstrahlung verlieren, sagte er ruhig. Die Oberflächentemperaturen am Äquator hatten durchschnittlich um achtzehn Grad höher gelegen als die Grundwerte; aber die Temperaturen bei Thaumasia waren schon um sechs Grad gesunken, und sie würden während der Dauer des Sturms weiter fallen. Und, wie er mit fast masochistischer Gründlichkeit hinzufügte, wie es John schien, die thermischen Aufwinde der Moholes würden den Staub höher tragen als je zuvor, so daß es durchaus möglich schien, der Sturm könnte lange andauern.
    »Kopf hoch, Sax!« riet John. »Ich denke, er wird kürzer sein als je zuvor. Sei nicht so pessimistisch!«
    Später, als der Sturm in sein zweites M-Jahr kam, würde Sax John schief grinsend an seine Vorhersage erinnern.
     
    Das Reisen während des Sturms war offiziell auf die Züge beschränkt und auf bestimmte, stark benutzte Straßen mit doppelten Transpondern. Als aber deutlich wurde, daß er in diesem Sommer nicht aufhören würde, ignorierte John die Beschränkungen und nahm seine Wanderungen wieder auf. Er vergewisserte sich, daß sein Rover gut bevorratet war, ließ einen Reserverover hinterher fahren und hatte einen extra starken Funksender einbauen lassen. Dies und Pauline im Fahrersitz würden genügen, ihn um den größten Teil der nördlichen Hemisphäre herumzubringen, wie er dachte. Roverpannen waren selten wegen der wirklich umfassenden inneren Überwachungssysteme, die in ihre Computer integriert waren. Daß zwei Pannen gleichzeitig aufgetreten wären, hatte man noch nie gehört. Es hatte nur einen dokumentierten schweren Unfall gegeben. Also sagte John der Acherongruppe Lebewohl und machte sich wieder auf den Weg.
    Im Sturm zu fahren war wie Fahren bei Nacht, aber interessanter. Der Staub raste in Böen vorbei und ließ kleine Lücken für Sicht, die kurze sepiafarbene Anblicke der vorbeirollenden Landschaft freigaben. Alles schien sich nach Süden zu bewegen. Dann brausten wieder massive Staubstürme gegen die Fenster. Bei den schlimmsten Windstößen schaukelte der Rover heftig auf seinen Stoßdämpfern, und der Staub drang wirklich überall ein.
    Am vierten Tag seiner Fahrt wandte er sich direkt nach Süden und begann den Nordwesthang der Tharsis-Erhöhung in Angriff zu nehmen. Das war wieder die Große Böschung; aber hier bildete sie keine Klippe, sondern einen Hang, der in der mehr als einen Tag währenden Dunkelheit des Sturms nicht zu bemerken war, bis er

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