Maschinenmann: Roman (German Edition)
heransausen. Eine Büroklammer lag dort, so groß, als würde ich davor knien. Ich konzentrierte mich auf kleine Gegenstände im Raum und ließ sie heran- und wieder wegzoomen. Als ich ohne Wegzoomen den Kopf drehte, wurde mir schlagartig übel. Das war also keine gute Idee. Erst wegzoomen, dann drehen, dann heranzoomen.
»Die machen Ihnen bestimmt gern auch eine«, meinte Mirka. »Wenn Sie sie fragen. Die von Gamma.«
»Gamma macht diese Dinger?« Ich nahm die Brille ab. Die Welt wurde trüb.
Sie nickte. »Gamma arbeitet viel mit Peripherie.«
Ich legte mich hin, und Mirka zog die Morphiumspritze auf. Ich hatte nichts dagegen, dass Gamma Experimente machte. Schließlich entsprach das meinen Anweisungen. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich wollte, dass sie dort Brillen bauten. Warum, wusste ich auch nicht. Als Mirka mir die Droge in die Vene injizierte, fragte ich mich, ob es daran lag, dass nicht ich sie entworfen hatte. Natürlich ging es in meiner Abteilung nicht nur um mich. Es ging um die Entwicklung von Produkten für einen großen Markt. Das hatte mir Cassandra Cautery erläutert, und es hatte mir auch eingeleuchtet. Aber jetzt war ich mir nicht mehr sicher, ob es mir gefiel.
Ich nahm den Aufzug zum dritten Stock von Gebäude C, wo Cassandra Cautery arbeitete. Sie hatte die Labors mehrmals besucht, doch entweder stand ich gerade unter Drogen, oder ich war mit Drahtmodellen beschäftigt, daher hatten wir nicht miteinander geredet. Ich wusste nur, dass sie Führungskräfte herumführte.
Ich schob mich über einen Teppichboden, der so dick war, dass mir die Arme wehtaten. Gebäude C war wirklich nett. Der gesamte Komplex von Better Future war visuell ansprechend, aber eher auf eine zweckmäßig-technische Weise, die Schönheit als Schlichtheit definierte. Wir bevorzugten gerade Linien und Parabolkurven ohne Überlappungen. In Gebäude C konnten die Farben frei fließen. Ich war kein großer Kunstfan, aber irgendwie entspannte ich mich hier innerlich.
An einer Korridorkreuzung fand ich Cassandra Cauterys Büro. Ich hatte einen Termin, war aber zu früh dran. Ich überlegte, ob ich noch eine Runde drehen sollte.
»Charlie!« Cassandra Cautery trat um ihren Schreibtisch und winkte mich hinein. »Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben.« Sie schloss die Tür hinter mir. Das Büro war klein und voller dicker Bücher. Außerdem gab es ein Sofa, ein Gemälde mit einem Kreis und einen Computer, der eher hübsch als schnell wirkte. Keine Fenster. »Möchten Sie was trinken?«
»Nein danke.«
Sie lehnte sich mit dem Hintern an den Schreibtisch und verschränkte die Arme. Ihr blondes Haar leuchtete von der UV-Strahlung des künstlichen Lichts. »Ich höre nur die besten Dinge über Ihre Arbeit. Alle sind total aufgeregt und gespannt. Das ist Ihr Verdienst. Als Projektleiter.«
»Davon weiß ich nichts.«
»Seien Sie nicht so bescheiden. Mir ist klar, dass Sie sich nicht so sehen. Aber Ihre Mitarbeiter brauchen keinen geselligen Chef. Sie brauchen jemanden, der sie intellektuell inspiriert. Der in ihnen den brennenden Wunsch weckt, Dinge zu erfinden. Und das tun Sie.«
Ich verlagerte mein Gewicht im Rollstuhl.
»Hören Sie mir bitte zu. Der Aufstieg in einem Unternehmen setzt die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung voraus. Ich muss es wissen. Bei meinem ersten Beurteilungsgespräch hat meine Chefin gesagt: ›Cassandra, Sie sind gewissenhaft, intelligent, hoch motiviert und fleißig, aber Sie müssen begreifen, dass nicht immer alles perfekt sein kann.‹ Damals habe ich diskutiert, aber sie hatte recht. Ich musste lernen zu akzeptieren, dass nicht alle so hart arbeiten wie ich. Was ich für unerträglich schlampig halte, ist in Wirklichkeit ein annehmbares Ergebnis, und es ist kontraproduktiv, einen Streit vom Zaun zu brechen, bei dem Tränen fließen und Kündigungsdrohungen ausgestoßen werden. Und wissen Sie was? Dieser Lernprozess hat mir nicht nur bei meiner Entwicklung als Führungskraft weitergeholfen, sondern auch bei meiner Entwicklung als Mensch. Denn damals war ich, wie soll ich sagen, tatsächlich ein wenig besessen.« Sie lächelte. »Sie haben doch niemandem von meinem Diastema erzählt?«
»Was?« Dann erinnerte ich mich an die Lücke zwischen ihren hinteren Zähnen. »Nein.«
»Danke, Charlie. Das habe ich Ihnen nämlich ganz im Vertrauen verraten.«
»Ähm, gut. Jedenfalls, ich wollte mit Ihnen reden. Über Finger.«
Sie nickte. »Ich bin ganz Ohr.«
»Gamma hat Finger
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