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Maschinenmann: Roman (German Edition)

Maschinenmann: Roman (German Edition)

Titel: Maschinenmann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Barry
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zwischen beiden. Etwas anderes zählte nicht. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sie mich umbrachten.
    Zehn Minuten lang hetzten sie dahin. Die ganze Zeit klammerte ich mich fest und bat sie anzuhalten. Anscheinend war ein Faktor, den man im Labor nicht simulieren konnte, dass Todesangst die Fähigkeit der Nervenschnittstelle zur Deutung mentaler Anweisungen beeinträchtigte. Entweder das, oder sie hatten ihren eigenen Kopf. Ich jagte an Fußgängern vorbei. Erst als ich schließlich die Augen schloss und mich in mein Schicksal ergab, stoppten sie ab. Vor mir lag eine belebte Kreuzung, irgendwo in der Innenstadt. Sekunden verstrichen, ohne dass sich meine Beine bewegten. Ich holte tief Luft. Wie eine lange Zunge hing mir die Krawatte über die Schulter. Mein Hemd schweißgetränkt. Das Jackett mit grauem Betonstaub bedeckt. Ich sah aus wie ein Penner. Ein mechanischer Penner. Ich musste lachen, denn das erschien mir komisch. Die Beine waren stehen geblieben, ich atmete noch, und hinter mir lagen die irrsinnigsten, unglaublichsten zehn Minuten meines Lebens.
    Ich überlegte, ob ich zu Better Future zurückkehren sollte. Es war ziemlich unwahrscheinlich, dass ich das Café finden würde, in dem ich mit Lola Shanks verabredet war. Das Beste war, ich schaltete die Contours aus und wartete, bis sich irgendein hilfsbereiter Mensch meiner erbarmte, dann konnte ich ihn bitten, bei meiner Firma anzurufen. Warum bloß hatte ich nicht daran gedacht, ein Handy einzubauen? Ein schwerwiegendes Versäumnis. Wie auch immer, die Contours hatten anscheinend größere funktionale Mängel, und ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass sie mich irgendwohin brachten.
    Eine Sekunde später bemerkte ich, dass ich vor einem Café stand. Drinnen saß Lola und trank Kaffee.
    Ich zögerte. Das Café war mit einer grünen Markise und Eisenmöbeln ausgestattet. Die Gäste trugen adrette Kleidung und aßen echte Speisen. Ich wollte kein Unheil anrichten. Aber Lola war dort. Vielleicht … Die Beine verstanden diesen Gedanken als grünes Licht und überquerten die Straße. Ich duckte mich, um mir an der Tür nicht die Stirn anzuschlagen. Die Leute drehten sich nach mir um. Nudeln hingen an Gabeln. Lolas Blick fand zu mir. Sie hatte ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie trug ein langes gelbes Kleid, das sich um die Brust bauschte und ihre Arme wie ein Schraubstock umklammerte. Sie lächelte, als wäre nur meine Anwesenheit wichtig, und ich erwiderte ihr Lächeln, weil ich mich genauso fühlte.
    Die Contours bahnten sich einen Weg durch die Tische. Sie benahmen sich wieder. »Hi.« Ich konnte nicht aufhören, sie anzustrahlen. Lola hatte recht, ich war tatsächlich zu lang im Labor gewesen. Ich hatte völlig vergessen, wie es sich anfühlte, nur so zum Vergnügen mit realen Menschen zu interagieren.
    »Hi.« Sie senkte den Blick und hob ihn wieder.
    Wir waren die Einzigen im Café, die redeten. Als wir uns umschauten, wandten sich die anderen Gäste ab. Sie räusperten sich und kehrten gezwungen zu ihrer Unterhaltung zurück. Sie wollten höflich sein. Ich war ein wenig beleidigt, schließlich war ich nicht behindert.
    »Ähm, setz dich doch.« Sie machte eine Geste.
    Kolben zogen sich zusammen, und die Contours gingen in Ruhestellung. Noch immer überragte ich den Tisch, aber nicht mehr so stark.
    Lolas Mund bildete ein O. »Die … sehen anders aus.«
    »Wir haben große Fortschritte gemacht.«
    »Wo ist die Steuerung?«
    Ich tippte mir an die Stirn. »Nervenschnittstelle.«
    Lola blinzelte. »Charlie … das ist ja fantastisch.« Sie starrte meine Hand an. Eigentlich hatte ich sie verbergen wollen. Es war meine Robothand. Ich hatte die Absicht, sie irgendwann mit geformtem Plastik zu bedecken, doch im Moment bestand sie nur aus einem Metallskelett und elektrischen Drähten. Ich ließ sie unter den Tisch gleiten. »Das ist noch nicht fertig.«
    Lola musterte mich durch ihre Wimpern. Als sie sprach, war ihre Stimme leise und belegt. »Charlie … was hast du getan?«
    »Na ja.« Ich stockte. »Du weißt schon.«
    »Zeig es mir.«
    Unauffällig sah ich mich um. Die anderen Gäste hatten sich wieder ihren eigenen Angelegenheiten zugewandt oder taten zumindest so. Ich legte die Hand auf den Tisch.
    Steif saß Lola da. Als hätte sie den Atem angehalten. »Darf ich sie berühren?«
    »Ja.«
    Ihre Finger krochen näher. Sie erforschten meinen Zeigefinger und strichen hinunter zu meinem Handrücken. Zum ersten Mal vermisste ich die

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