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Mauer, Jeans und Prager Frühling

Mauer, Jeans und Prager Frühling

Titel: Mauer, Jeans und Prager Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd-Lutz Lange
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»What’s your name?«
    »Lutz.«
    Er sagte, ich solle ihm den Namen buchstabieren, und dann schrieb er auf die Karte »For Lutz from Louis Armstrong«.
    Ich bedankte mich herzlich, und nun strahlte ich. Am Tag darauf, als ich sein Autogramm in der Lehrgangsklasse herumzeigte, da war ich der »King«.

Berlin
    1965 lernte ich im Zug eine Berlinerin kennen. Heute würde man schreiben »Sachse meets Preußin«. Damals lernte man sich einfach kennen.
    Sie störte sich nicht an meinem Dialekt und sprach hochdeutsch mit »Balina« Einschlag. Wir merkten schnell, daß wir dieselben Träume träumten. Wir wollten für unser Leben gern vom Parkett auf die Bühne. Jeder hat es auf seine Weise geschafft. Monika spielt Theater, und in Abständen sehen wir uns heute noch, immerhin nach inzwischen 38 Jahren!
    Damals arbeitete sie in einer für mich exotischen Stätte: in der »M ÖWE «. Sie war Bibliothekarin. Als ich das erste Mal in Berlin war und im Hof dieses Hauses stand, zeigte sie nach oben und sagte: »Die S-Bahn da fährt in den Westen. Die ist gleich drüben.« So nah und so fern. Ich konnte das kaum fassen. Das unerreichbare DRÜ BEN bekam in unserer Vorstellung einen paradiesischen Glanz. Auf anderen S-Bahn-Strecken sah ich, daß die Mauer eine Kleingartenanlage teilte. Dieselben Apfelsorten, Blumen, aber Welten dazwischen. Nur den Vögeln war das alles Wurscht. Sie pickten mal eine Ost-, mal eine Westraupe und flogen, wohin es ihnen gefiel.
    Durch Monika erfüllte sich für mich ein Jugendtraum: einen ganzen Abend lang in den Künstlerclub der DDR gehen können – in die »Möwe«. Ich sah Leute, die ich nur aus dem Kino oder dem Theater kannte: Stefan Lisewski, Arno Wycznewski, Benno Besson. Oder Rolf Ludwig. Damals war nicht daran zu denken, daß ich mit ihm einst freundschaftlich verbunden sein würde …
    Es dämmerte bereits, als ich mit Monika in seliger Stimmung zum Bahnhof Friedrichstraße bummelte. Sie nahmeine der ersten S-Bahnen nach Hause, und ich kam mir sehr weltmännisch vor, als ich das Hotel Minerva in einer kleinen Seitenstraße ansteuerte.
    Minerva, entnahm ich später dem Lexikon, ist nicht etwa die Göttin der Heilquellen, sondern der Weisheit. So weise war ich nicht, sonst hätte ich nicht nachschlagen müssen. Und, so erfuhr ich weiter, sie diente als Schutzgöttin Roms und des Handwerks.
    Aber scheinbar nur des italienischen. Das Handwerk der DDR, das war im Land nicht zu übersehen, hatte schon längst keine Schutzgöttin mehr.
    Ich drückte also auf die Nachtglocke des Hotels, die in meinem Fall quasi eine Morgenglocke war, da schon ein paar Vögel in der noch stillen Stadt zu hören waren. Es war das erste Mal, daß ich in der DDR in einem Hotel übernachtete. Der Mann an der Rezeption gab mir aber keinen Schlüssel, sondern sagte: »Passen Se uff, et is so, unsa Hotel is ja ausjebucht, und ick hab mir jedacht, wo Se doch Student sint un et ooch nich so ha’m, is et Ihn janz recht. So’n Äjypta brauchte janz dringend und unbedingt een Bette, un da bei Ihn doch eens frei is, ha’ ickn bei Ihnen reinjeleecht. Is doch jut, wa?! Zahln Se bloß de Hälfte!«
    Ich gönnte dem Mann das Trinkgeld, das er sich dadurch vermutlich verdient hatte, und als junger Mensch ist man ja bekanntlich noch variabel, kann aus dem Hut improvisieren, obwohl – ein bißchen war ich schon über diese unkonventionelle Lösung des Bettenproblems erstaunt.
    Und das mitten in der DDR!
    Aber ich war voller Eindrücke, wir hatten dem »Stierblut« oder »Cabernet« kräftig zugesprochen, und so stellte ich mich schnell auf die neue Situation ein. Ich war inzwischen rechtschaffen müde und wollte endlich eine Weile pennen.
    »Aba Se brauchen keine Sorje haben. Er is wat Besseres. Nich so’n Kameltreiba!«
    Ich versicherte dem Mann, daß mich kein Ägypter in meinem Zimmer stören würde. In jenen Jahren blühte jabekanntlich die Freundschaft zwischen dem Land am Nil und der DDR und auch mancher Witz darüber. So gab es den: Der Führer des ägyptischen Volkes, Gamel Abdel Nasser, ist zu Besuch in unserem Land. Die begeisterten Werktätigen rufen im Sprechchor: »Nasser, Ulbricht! Nasser, Ulbricht!« Ein Funktionär macht die Leute darauf aufmerksam, wie denn das klingen würde: Nasser Ulbricht! Sie mögen doch etwas anderes rufen. Daraufhin nehmen sie die Vornamen und rufen: »Gamel, Walter! Gamel, Walter!«
    Ich stieg also in das entsprechende Stockwerk, drückte vorsichtig die Klinke des Zimmers herunter, aber

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