Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen
Belinda mußte zur Seite treten, weil Catherine auf die Tür zuging.
»Freigeben? Als ob er ihnen jemals gehört hätte!«
Wieder war die leise rufende Stimme zu hören. Catherine ging ohne ein weiteres Wort an Belinda vorbei. Sie war wie erwartet: schön und herzlos. Diese Erkenntnis machte sie ärgerlich, aber auch traurig.
Das Rufen kam aus einem großen Bett mitten im Nachbarzimmer. Herricks Frau lehnte in den Kissen und musterte die Eingetretene wie vordem Belinda – doch ohne Feindschaft.
»Ich bin gleich wieder da, liebe Dulcie!« rief Belinda von draußen. »Aber im Augenblick brauche ich dringend frische Luft.« Die Haustür fiel zu.
»Bitte verzeihen Sie meinen unangemeldeten Besuch.« Catherine fröstelte trotz des Feuers im Kamin.
Dulcie deutete mit einer Hand auf den Bettrand. »Setzen Sie sich bitte, so kann ich Sie besser sehen. Mein lieber Thomas hat mich vor ein paar Tagen verlassen und segelt jetzt zu seinem Geschwader. Er fehlt mir überall.« Ihre Hand tastete sich auf Catherines zu und ergriff sie. »Ja, Sie sind wirklich schön, Lady Somervell. Ich verstehe, daß Richard Sie liebt.«
Dulcies Hand war heiß und trocken.
»Das ist sehr lieb von Ihnen. Aber bitte, nennen Sie mich Catherine.«
»Es tut mir leid, daß Viscount Somervell gestorben ist … Regnet es noch?«
Catherines Besorgnis wuchs, denn Dulcies Gedanken liefen wirr durcheinander. »War ein Arzt bei Ihnen?« fragte sie vorsichtig.
Wie von weit her antwortete Dulcie: »Es ist so traurig … Thomas und ich konnten keine Kinder haben.«
Catherine blieb beharrlich: »Wie lange liegen Sie schon zu Bett?« Zum erstenmal lächelte Dulcie. Dabei sah sie zerbrechlich aus wie ein Porzellanpüppchen. »Sie ähneln Thomas«, flüsterte sie.
»Der fragt auch immer und macht sich solche Sorgen. Er denkt, ich arbeite zuviel. Aber er weiß nicht, wie einsam es hier ist, wenn er auf See ist.«
»Was sind das für Männer, die im Garten arbeiten?«
Dulcie hatte die Frage offenbar nicht verstanden. »Belinda ist so lieb«, fuhr sie fort. »Sie haben eine kleine Tochter.«
Catherine sah zur Seite. Sie, das waren Richard und Belinda.
»Diese Männer sprachen spanisch!« beharrte sie.
Sie hatte nicht gehört, daß Belinda zurückgekommen war. »Ach ja, Sie waren ja mal mit einem Spanier verheiratet«, sagte Lady Bolitho. »Einer von Ihren vielen Ehemännern!«
»Es sind Kriegsgefangene«, antwortete Dulcie. »Freigelassen auf Ehrenwort. Sehr gute Gärtner.« Ihre Lider flatterten. »Ich bin so müde …«
Catherine löste ihre Hand und stand auf. »Dann werde ich Sie jetzt verlassen. Aber ich würde mich gern ausführlicher mit Ihnen unterhalten, Dulcie.«
Belinda folgte ihr in die Halle. »Verschonen Sie Dulcie mit Ihrer Gegenwart«, sagte sie. »Man weiß ja, wer Sie sind. Müssen Sie sich auch noch den Herricks aufdrängen? Den Ruf meines Mannes haben Sie schon auf dem Gewissen. Eines Tages wird er noch bei einem Duell getötet werden!« Bosheit funkelte in Belindas Augen.
Catherine dachte an den Mann im Lustgarten am Themseufer und an Oberst Collyear. Beide hatten sie behandelt wie eine Hure und beide Male hätte sich Bolitho wirklich fast duelliert.
»Und das macht Ihnen Sorge? Sie waren doch noch nie stolz auf Richard. Warum tragen Sie überhaupt seinen Namen?« Sie ging zur Tür. »Dulcie hat Fieber. Ich habe die beiden Gärtner unter dem Fenster gehört, sie sprachen vom Kerkerfieber, das auf den Gefängnisschiffen herrscht. Vielleicht hat sich Dulcie bei ihnen angesteckt. Seit wann ist sie krank?«
Belinda war unsicher geworden. »Seit zwei Tagen. Seit ihr Mann das Haus verlassen hat.«
Catherine faßte einen Entschluß. »Ich schicke Mr. Yovell mit einer Nachricht nach London. Hier muß ein erfahrener Arzt her, nicht der Landdoktor aus dem Dorf. Und kein Wort zu den Dienern über Kerkerfieber. Die laufen sonst alle weg. Auch Sie sollten das Zimmer nicht betreten.«
»Ist es denn so ansteckend?«
Catherine sah Belinda verächtlich an. Diese Frau war ihr keine Hilfe. »Ich bleibe hier. Kerkerfieber ist Typhus. Dulcie wird ihn nicht überleben.«
Yovell kam ungerufen in die Halle, und Catherine erklärte ihm leise die Lage.
»Das ist ja schrecklich, Mylady! Wir brauchen sofort einen erfahrenen Arzt!«
Sie sah die Furcht in seinen Augen und legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. »Für Dulcie käme er zu spät, aber die anderen hier brauchen ihn. Ich kenne Typhus. Man hätte sie viel früher behandeln müssen,
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