Meagan McKinney
Stevens vorbei.« Sie setzte ihren ockerfarbenen
Moiré-Hut in einem eleganten Winkel auf und steckte ihn mit der diamantenen
Hutnadel fest. »Diese Leute kennen ihren Platz nicht. Es ist Zeit, daß wir sie
entschieden in ihre Schranken verweisen. Unsere Familien haben tiefe Wurzeln
in Manhattan, und wir können nicht zulassen, daß diese verunreinigt werden.«
Alana
starrte sie an, und fragte sich plötzlich, was diese große, stattliche Frau
wohl tun würde, wenn sie von Christabel erführe. Eins war jedoch sicher: Mr.
Astors Beziehung zu Alanas Mutter würde so schnell und so tief vergraben
werden, daß selbst ein Goldgräber sie nicht mehr würde finden können.
»Hast du
mich verstanden, Alana?«
Alana hörte
sie kaum. Sie grübelte erneut über Sheridans Vorschlag. Wenn er ihr ihre
Geheimnisse ließ, könnte es wirklich wunderbar einfach werden. Sie würde über
die erforderlichen Mittel zur Pflege Christabels verfügen, ohne mit Fragen
belästigt zu werden. Und er bekäme Zutritt in eine kranke Gesellschaft, in der
selbst sie nichts Erstrebenswertes entdecken konnte.
»Du wirst
also am Samstag diesen Iren nicht heiraten?«
Und
wahrscheinlich würde es gar nicht so lange dauern, Mara gut unterzubringen. Sie
war Irin und noch sehr jung, aber sie hatte ein einnehmendes Wesen und war
außergewöhnlich hübsch. Außerdem waren die Knickerbocker-Männer weit weniger
von Stammbäumen besessen als ihre Frauen.
»Du bist
verrückt, Kind, wenn du glaubst, ein solcher Emporkömmling könnte jemals etwas
Vernünftiges zustande bringen.«
Nach
einiger Zeit könnten sie und Sheridan die Ehe in aller Stille annullieren
lassen. Dann konnte sie nach Brooklyn in ein kleines Landhaus ziehen, davon
hatte sie immer geträumt. Sie konnte in der Nähe ihrer Schwester leben und all
diesen Dingen entfliehen.
»Du wirst
ihn nicht heiraten. Ich verbiete es dir.«
Alana sah
auf, ihr Gesicht war so blaß und so schön wie Alabaster. Sie schwieg einen
Moment, denn sie konnte kaum glauben, welche Entscheidung sie schließlich
getroffen hatte. Langsam sagte sie: »Sie müssen wissen, Mrs. Astor, daß ich die
Situation sehr gründlich überdacht habe, und ich finde, es gibt für mich
keine andere Möglichkeit, als Mr. Sheridan zu heiraten.«
»Du bist
wahnsinnig. Das tust du nicht!«
Alana
lächelte bitter. »Dann liegt der Wahnsinn bei uns in der Familie.«
Diese
Anspielung verstand Mrs. Astor natürlich nicht. Sie warf Alana einen Blick zu,
der deutlich besagte, daß niemand mit ihr in diesem Tonfall sprechen durfte,
und ohne ein weiteres Wort rauschte sie hinaus.
Alana sah ihr nach, und nur ein Gedanke beherrschte sie: Sie ging, und die
Sache war besiegelt. Das bedeutete echten Krieg!
Terms of surrender/Zeit der Aufgabe
Späte Essen
... schwere Weine ... gedämpfte Stimmen ... sind gefährlich.
– Junius Browne, The Great Metropolis:
A Mirror of New York (1869)
8
Keine zehn
Minuten nachdem Mrs. Astor gegangen war, trat Pumphrey in den Salon und teilte
ihr mit, daß Mr. Sheridan ein paar Kleinigkeiten für die Hochzeit geschickt
hatte. Alana begann sich zu fürchten, denn es sah fast so aus, als ob der Ire
Gedanken lesen konnte. Ihr blieb kaum Zeit, ein paarmal tief durchzuatmen,
als auch schon eine Armee von Botenjungen die Eingangshalle stürmte und Einkäufe
der Ladies Mile am Broadway abluden. Da gab es Ellen von cremeweißem
Atlasstoff von Arnold Constable und Lyoner Spitze von A. T.
Stewart's, aus denen ihr Hochzeitskleid gefertigt werden sollte. Die
komplette Aussteuer »A«, bestehend aus einundfünfzig Wäschestücken und
Negligés, kam von Lord and Taylor, von Dreicer auf der Fifth
Avenue war eine vollständige Smaragdgarnitur geschickt worden – und um sie
endgültig zu beleidigen, wurde ihr ihr Verlobungsring von Mr. Tiffanys
Geschäft am Union Square nicht von ihrem Bräutigam, sondern durch einen
bewaffneten Kurier übergeben.
Stumm
beobachtete Alana, wie Pumphrey die Jungen anwies, wo die Sachen abzulegen
waren. Doch gerade als das erledigt war, klingelte es erneut an der Tür, und
Pumphrey verkündete die Ankunft von Madame LaBoeuve, der Schneiderin von James McCreery,
der ihr Hochzeitskleid nähen sollte. Ihr auf dem Fuße folgte ein Lakai in der
grünschwarzen Sheridan-Uniform, der eine Nachricht von dem Iren persönlich
brachte.
Alana nahm
Pumphrey den Brief ab und zog sich in den Salon zurück. Sie wollte nicht, daß
jemand ihr Gesicht sah, wenn sie ihn las. Denn natürlich würde der Inhalt
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