Meagan McKinney
ihren Ohren
falsch klangen. So wie sie ihn bisher kennengelernt hatte, konnte sie erst mit
Bestimmtheit sagen, was er vorhatte, wenn es tatsächlich soweit war. Aber eines
wußte sie sicher: Der Gedanke daran, mit Sheridan in einem dieser
luxuriösen, verschwenderisch möblierten und dekadenten Räume, wovon nur hinter
Fächern im Flüsterton gesprochen wurde, allein zu sein, weckte in ihr einen
Fluchtinstinkt.
»Ich weiß,
daß Mr. Sheridan Sie bereits mit großer Freude erwartet.« Lorenzo schenkte ihr
ein freundliches Lächeln, das sie getröstet hätte, wäre ihr nicht
aufgefallen, wie der Patron auf ihre Hände sah. Er suchte offenbar einen Ring
oder ein anderes vielsagendes Zeichen, das den Klatsch und die Zeitungsberichte
bestätigte, daß eine Knickerbocker sich tatsächlich herabließ, einen gewöhnlichen
Iren zu heiraten. Als
er nichts fand, schien er enttäuscht als würden in der Küche eine Armee Verwandter und Freunde warten, die nur auf
seinen Bericht gewartet hatten.
Alana
verbarg die Hände in ihrem Kleid und starrte ihn an. Lorenzo Delmonico besann
sich augenblicklich wieder auf die Etikette der großen Speiselokale,
nahm sich zusammen und bot ihr charmant seinen Arm. Alana nahm ihn
widerwillig, denn sie wußte, sie mußte Sheridan gegenübertreten, und wenn nicht
hier, dann an einem anderen Ort, wo wahrscheinlich mehr Leute anwesend waren.
Sie
durchquerten zuerst den Hauptraum mit seinem Publikum, dem Zigarrenrauch,
Stimmen und Lachen. Dann hallten ihre Schritte in dem gewaltigen, nun
geisterhaft leeren, pompösen Ballsaal, bis sie zu einer Treppenflucht
gelangten, die mit rubinroten Teppichen ausgelegt war. Oben öffnete er ihr
eine schwere, verzierte Tür aus Walnußholz, und der berüchtigte Trevor Sheridan
stand auf, um sie zu begrüßen.
Sein Blick
traf ihren, und wieder war sie gefangen von seinen ungewöhnlich dunklen Augen.
Nun schienen sie sogar noch härter als sonst, und ängstlich drehte sich
Alana nach Lorenzo um. Dieser aber hatte bereits den Raum verlassen und zog die
Tür hinter sich zu.
Alana
atmete tief ein und wandte sich wieder She ridan zu. In seinem schwarzen
Frack sah er unglaublich gut aus, und der gestärkte Hemdkragen betonte
seine maskulinen Züge nur noch mehr. Die weiße Fliege war lange genug außer
Mode, um Sheridans Geschmack zu beweisen, und wenn die Umstände anders gewesen
wären, hätte Alana gewiß das Zusammensein mit diesem höchst erfreulichen Exemplar
der Männerwelt genossen. Doch leider konnte sie die Umstände nicht vergessen,
und als sie nun sein entschlossenes Gesicht betrachtete, wußte sie plötzlich,
warum William Astor ihn stets nur mit seinem Spitznamen, > den
Raubvogel < , bezeichnet hatte.
»Sie sehen
wundervoll aus, wenn ich das bemerken darf, Miss van Alen«, begann er. Sein
Blick glitt schnell, aber gründlich über ihre Aufmachung. Er schien jedes
Detail in sich aufzunehmen: ihr Abendkleid aus leuchtendem, grünen Taft, ihr
elizabethanisches Mieder, das mit kleinen schwarzen Chenille-Bällchen
gesäumt war, ihr Busen, der diskret mit einem Coliier aus goldgefaßtem, schwarzen
Bernstein geschmückt war – ein ungewöhnliches Stück, das eher zu Trauerkleidung
paßte.
Sein Blick
blieb an der Kette haften, bis sie sie nervös mit einer Hand bedeckte. Als sie
sich am Abend eingekleidet hatte, fand sie das Schmuckstück in Anbetracht
ihrer Situation höchst passend. Er schien ihre Absicht zu begreifen, doch er
lächelte nicht, sondern sah auf ihre linke Hand. Wie vorauszusehen war, fragte
er: »Wo ist Ihr Ring, meine liebe Verlobte?«
Sie öffnete
ihre gefütterte Börse und griff hinein. Sie fand seinen Ring, trat vor und
legte ihn auf das weiße Leinentischtuch.
Sheridan
runzelte die Stirn. »Warum tragen Sie ihn nicht am Finger?«
»Ich denke,
das ist offensichtlich.«
Unter
seiner ruhigen Fassade zeichnete sich Ärger ab. »Ich verstehe.«
»Ist unsere
Geschäftsbeziehung dann beendet?« Sie sah sich in dem Salon um, der in
Sheridans Gesellschaft immer enger zu werden schien. Sie wollte fort.
»Da Sie
schon einmal hier sind, Miss van Alen, warum essen wir dann nicht zusammen?« Er
lächelte und ein Schauder böser Vorahnung lief ihr Rückgrat hinunter.
»Ich glaube
nicht, daß ...«
»Ich sehe
daran nichts Schlimmes.«
Sie sah ihn
an und dachte an ähnliche Worte, die er gesprochen hatte. »Ich sehe kein
Opfer«, hatte er damals mit seinem weichen Akzent gesagt und ihr einen Einblick
in sein wahres Ich gestattet. Aber
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