Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)
Probanden waren erfahrene Zen-Praktiker und Kontrollpersonen, die mit offenen Augen meditierten. Wie erwartet, lösten die dargebotenen Begriffe Aktivität in Hirnregionen zur Analyse der Wortbedeutung aus. Im Vergleich mit den Kontrollpersonen trat die ausgelöste Aktivität bei den Zen-Meditierenden schneller auf und klang auch schneller wieder ab. Die Autoren der Studie sehen darin einen Hinweis darauf, dass die Meditierenden gelernt haben, ablenkende Störreize zu bemerken, aber keine weitere konzeptuelle Verarbeitung vornehmen.
Befunde einer eigenen Studie an der Universität Gießen weisen in die gleiche Richtung (Hölzel et al., 2007). Während der Atemachtsamkeit zeigten erfahrene Meditierende der Vipassana-Tradition verstärkte Aktivität im anterioren cingulären Cortex. Diese Region wird mit der »exekutiven« Kontrolle der Aufmerksamkeit in Verbindung gebracht und dient insbesondere dazu, Konflikte zu erkennen und Störreize auszublenden. In der Studie einer anderen Arbeitsgruppe zeigte sich dort ebenfalls verstärkte Aktivität bei den Meditierenden (Brefczynski-Lewis et al., 2007). Bei den Meditierenden mit sehr langer Übungspraxis nahm die Aktivierung dort wieder ab, was die Autoren so interpretieren, dass bei diesen Personen der Zustand der Achtsamkeit bereits zum Normalzustand geworden ist und daher ohne Anstrengung aufrechterhalten werden kann.
Einen anderen Ansatz, die Mechanismen automatischer Aufmerksamkeitszuwendung zu untersuchen, bietet ein Phänomen, das als Attentional Blink bezeichnet wird. Es tritt auf, wenn eine Serie von Reizen (z.B. Buchstaben) in sehr schneller Abfolge präsentiert wird und Zielreize (z.B. Ziffern) eingebettet sind, die erkannt werden sollen. Wenn zwei Zielreize in einem kurzen Abstand aufeinander folgen, wird der zweite Reiz leicht übersehen, was als »Blinzeln« der Aufmerksamkeit (nicht der Augen) bezeichnet wird. Eine Studie von Slagter et al. (2007) ergab, dass sich nach einem dreimonatigen Training in Vipassana-Meditation die Erkennungsrate erhöhte. Die vom ersten Zielreiz ausgelösten elektrischen Hirnpotentiale fielen geringer aus. Dies interpretieren die Autoren als Beleg für eine verbesserte Verteilung der Aufmerksamkeit. Durch die geringere Verarbeitungstiefe und die Beschäftigung mit dem ersten Zielreiz wären noch genug Ressourcen vorhanden, um auch den zweiten Zielreiz zu erfassen.
Solche experimentellen Studien zeigen, dass der veränderte Umgang mit Ablenkungen durch ein Achtsamkeitstraining sich sowohl in Verhaltensdaten (Erkennungsleistung) niederschlägt als auch auf der Ebene neuronaler Aktivierungsprozesse von messbaren Effekten begleitet ist.
Meditationsübungen
Die eingangs erwähnte Flut von Gedanken, die viele Anfänger erfahren, wird leider häufig als eigene Unfähigkeit zu meditieren gedeutet. Sich selbst zu verurteilen, weil es einem nicht gelingt, die Gedankentätigkeit einzudämmen, ist jedoch kontraproduktiv. Denn auch die Urteile selbst sind wiederum Gedanken über die Gedanken, die letztlich nur zu Verzweiflung und Frustration führen und die Motivation untergraben.
In den folgenden Abschnitten werden drei unterschiedliche Strategien für den Umgang mit Gedanken vorgestellt. Es ist wiederum an Ihnen, herauszufinden, welche Strategie bei Ihnen am besten funktioniert.
Gedanken beobachten
Die erste Strategie zur Beruhigung der Gedankenaktivität besteht darin, die Gedanken lediglich als mentale Ereignisse wahrzunehmen und sich selbst beim Denken zuzuschauen bzw. zuzuhören. Wichtig ist dabei eine akzeptierende Grundhaltung – wenn Sie Ihre Gedanken verurteilen, sich darüber ärgern und sie zu unterdrücken versuchen, gießen Sie Öl ins Feuer und erzeugen noch mehr Gedanken. Stellen Sie sich vor, jemand wollte die Wellen auf dem Wasser vertreiben, indem er sie mit einem Stock schlägt … Sie können sich ausmalen, wozu das führt, und würden sicher vorziehen abzuwarten, bis sich die Wellen von selbst beruhigen.
Nehmen Sie die Haltung eines Menschen ein, der ein wildes Tier zähmen möchte und es zunächst einmal beobachtet, um sich mit ihm vertraut zu machen. In der Meditationsliteratur wird der Verstand gerne mit einem Affen verglichen, der rastlos zwischen den Ästen der Bäume herumturnt. Geben Sie die innere Bühne frei und lassen Sie den Affen turnen – springen Sie aber nicht hinterher, sondern bleiben Sie ein distanzierter Beobachter des Geschehens. Was treibt Ihre Gedanken an?
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Vielleicht verstummen die
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