Mein Ist Die Nacht
klang
gepresst. Er flüsterte, und die Zischlaute drangen
überlaut durch das Telefon.
»Leck mich.
Sollst schließlich wissen, dass ich nicht tatenlos unterwegs
bin, um mir die beschissene Landschaft anzusehen. Da hätte ich
wahrlich Besseres zu tun.« Er kicherte. »Also gut, pass
auf, ich will es kurz machen. Baumann stört uns nicht mehr.
Und um seine Karre habe ich mich auch gekümmert. Also schwing
deinen Arsch hierher und hol mich ab.«
»Du spinnst. Ich
kann jetzt hier nicht weg. Wo steckst du überhaupt? Deine
Nerven möchte ich haben, ehrlich. Was soll meine Frau
denken?«
»Lass dir was
einfallen. Komm her, ich kann unmöglich den ganzen Weg vom
Parkhaus aus zu Fuß zurücklegen.«
»Dann guck, wie
du klar kommst. Das mit Baumann ist dein Part, da halte ich mich
raus. Ich habe keinen Bock darauf, dass man uns in Verbindung
bringt. Dann können wir uns beide auch gleich freiwillig bei
den Bullen melden. Mein Gott, manchmal hast du wirklich den Arsch
auf!«
»Also kann ich
nicht mit dir rechnen?«
»Sitzt du auf
deinen Ohren? Wir hören morgen voneinander. Gute
Heimreise!« Es klickte im Hörer, dann ertönte ein
monotones Tuten. Er hatte einfach aufgelegt.
»So ein
blödes Arschloch«, murmelte er wütend und
ließ das Handy verschwinden. »Du wirst schon sehen, was
du davon hast. Pisser.« Er verließ das Parkhaus,
spuckte in den Schnee und stapfte weiter bis an eine
Straßenecke. Immer wieder versanken seine Füße im
Schneematsch. »Sitzt in der warmen Bude, während ich mir
hier den Arsch abfriere«, fluchte er. Er blieb stehen und
orientierte sich. Ein Taxi arbeitete sich forsch auf ihn
zu.
*
Der Taxifahrer hatte
nur dumm geguckt, als er ihm bedeutet hatte: Bitte hier anhalten.
Er wollte in keinem Fall vor seiner Haustüre abgesetzt werden.
Es galt, jeden Hinweis auf seinen Wohnort zu vermeiden. Lieber
hier, mitten im Nirgendwo, an einer Landstraße. Gut einen
Kilometer weit weg von seinem Bett. Das Taxi rauschte davon und
verschwand in der Dunkelheit. Eigentlich eine viel befahrene
Straße, lag die L 432 jetzt verlassen da. Schwärze
breitete sich aus. Finsternis.
Er genoss die
Einsamkeit und schlenderte in aller Ruhe durch den Schnee. Sein
Ärger über den Anruf von eben war verflogen. Er
verschmolz mit der beginnenden Nacht.
54
21.45
Uhr
Am Autobahnkreuz
Wuppertal Nord hatte sie die A 46 verlassen, da sie im Verkehrsfunk
von einer Vollsperrung gehört hatte. Sie hatte wahrlich keine
Lust, sich auf den letzten Kilometern noch in einen Stau zu
stellen, und so rollte der Wagen über die Landesstraße
432, die an dieser Stelle bereits zum Stadtgebiet von Wuppertal
gehörte. Trotz der Witterung war sie gut durchgekommen. Am
frühen Nachmittag war sie in Berlin aufgebrochen, da sie
morgen wichtige Termine in Wuppertal hatte, die sie auf keinen Fall
versäumen wollte. Auf der Autobahn 2 hatte es vor dem Kamener
Kreuz die üblichen Staus gegeben, doch auf der Autobahn 1 in
Fahrtrichtung Köln war wieder alles glatt gelaufen, von einem
kurzen Schneegestöber am Westhofener Kreuz einmal abgesehen.
Der neue Wagen hatte sich auf seiner ersten weiten Fahrt
bewährt. Obwohl sie von der stundenlangen Autofahrt müde
war, sang sie die Lieder, die aus dem Autoradio kamen, gut gelaunt
mit. Den VW Eos hatte sie erst vor wenigen Tagen funkelnagelneu von
ihrem Händler übernommen. Der Wagen roch im Innenraum
noch neu. Sie liebte den Geruch von Leder und Lack, den neue
Fahrzeuge besaßen. Natürlich hatte sie sich das Fahrzeug
gleich mit einem Satz hochwertiger Winterreifen ausliefern lassen,
denn sie setzte auf Sicherheit und wollte auch bei schlechten
Witterungsverhältnissen ihr Ziel erreichen. Für Notfalle
führte sie sogar einen Satz Schneeketten im Kofferraum mit
sich. Wie sie die Dinger allerdings montierten sollte, wusste sie
nicht. Die elektronisch geregelte Heizung verbreitete auch bei
diesem nasskalten Winterwetter eine angenehme Temperatur im
Innenraum. Ja, dachte sie, genau so sollte es
sein.
Der neue Wagen war ein
Symbol für ihren Neuanfang. Eine erfolgreiche junge Frau
benötigte ein neues, schickes Auto. Und in das schnittige
Coupe im Showroom ihres Händlers hatte sie auf den ersten
Blick verliebt. Es hatte sie ein kurzes, nerviges Telefonat mit
ihrem Banker
gekostet, um die Finanzierung zu regeln, dann hatte sie den
Kaufvertrag unterzeichnet und der Eos gehörte ihr. Es schien
nach vielen harten Jahren endlich bergauf zu gehen für
sie.
Sie hatte den
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