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Mein Leben Ohne Gestern

Mein Leben Ohne Gestern

Titel: Mein Leben Ohne Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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schon, ich würde verrückt werden. Ich habe in Gesprächen den Faden verloren, hatte
Probleme damit, meine eigenen Sätze zu Ende zu führen, habe mich auf dem Nachhauseweg verlaufen, wurde aus dem Scheckbuch nicht mehr schlau, habe die
Terminpläne meiner Kinder durcheinandergebracht (ich habe eine 15-jährige Tochter und einen 13-jährigen Sohn). Ich war erst 46, als die Symptome
anfingen, daher dachte natürlich nie jemand, dass es Alzheimer sein könnte.
     
    Ich denke, die Medikamente helfen sehr. Ich nehme Aricept und Namenda. Ich habe gute und schlechte Tage. An den guten Tagen benutzen andere Leute und sogar meine Familie das als Ausrede, um zu glauben, dass ich völlig gesund bin und mir diese Sache sogar nur ausdenke! So verzweifelt sehne ich mich nicht nach Aufmerksamkeit! Und dann, an einem schlechten Tag, schlägt die Krankheit auf einmal zu, und ich kann keine Worte mehr finden, kann mich nicht konzentrieren und nichts gleichzeitig erledigen. Und ich fühle mich einsam. Ich kann es kaum erwarten, Sie kennenzulernen.
     
    Cathy Roberts
     
    PS: Kennen Sie die Internet-Selbsthilfe für Demenzkranke, Dementia Advocacy and Support Network International? GehenSie doch mal auf deren Webseite: www.dasninternational.org. Es ist eine wundervolle Seite für Leute wie uns, im Frühstadium und mit der früh einsetzenden Form der Krankheit, um zu reden, Dampf abzulassen, Unterstützung zu bekommen und Informationen auszutauschen.
    Da waren sie. Und sie würden kommen.

    Mary, Cathy und Dan zogen ihre Mäntel aus und nahmen im Wohnzimmer Platz. Ihre Ehepartner behielten ihre Mäntel an, verabschiedeten sich zögernd von ihnen und gingen mit John auf einen Kaffee zu Jerri’s.
    Mary hatte kinnlanges blondes Haar und runde schokoladenbraune Augen hinter einer dunkel umrandeten Brille. Cathy hatte ein kluges, freundliches Gesicht und Augen, die lächelten, bevor ihr Mund es tat. Alice mochte sie auf Anhieb. Dan hatte einen dichten Schnurrbart, einen Ansatz zur Glatze und eine stämmige Statur. Wenn man sie ansah, hätte man sie für Professoren halten können, die aus einer anderen Stadt zu Besuch waren, Mitglieder eines Buchclubs oder alte Freunde.
    »Möchten Sie vielleicht etwas zu denken?«, fragte Alice.
    Sie starrten erst sie an und dann einander, zögerten mit ihrer Antwort. War jeder von ihnen zu schüchtern oder zu höflich, um als Erster etwas zu sagen?
    »Alice, meinten Sie vielleicht ›trinken‹?«, fragte Cathy.
    »Ja, was habe ich denn gesagt?«
    »Sie sagten ›denken‹.«
    Alice wurde rot. Wortverwechslung war nicht der erste Eindruck, den sie machen wollte.
    »Ehrlich gesagt hätte ich sehr gern eine Tasse mit etwas zu denken. Meine ist schon seit Tagen fast leer, ich glaube, ich sollte mir nachschenken lassen«, sagte Dan.
    Sie lachten, und das verband sie alle augenblicklich. Alice brachte den Kaffee und den Tee, während Mary ihre Geschichte erzählte.
    »Ich habe zweiundzwanzig Jahre lang als Immobilienmaklerin gearbeitet. Auf einmal fing ich an, Termine, Besprechungen, Hausbesichtigungen zu vergessen. Ich kam ohne Schlüssel zu Häusern. Ich habe mich auf dem Weg verirrt, wenn ich einer Kundin eine Immobilie zeigen wollte, in einer Gegend, die ich seit einer Ewigkeit kannte, mit der Kundin im Wagen. Ich brauchte eine Dreiviertelstunde für einen Weg, der keine zehn Minuten hätte dauern sollen. Ich will mir nicht ausmalen, was sie sich gedacht hat.
    Dann fing ich an, schnell wütend zu werden und vor den anderen Maklern im Büro in die Luft zu gehen. Ich war immer so umgänglich und beliebt gewesen, und auf einmal wurde ich als die bekannt, bei der schnell die Sicherung durchbrennt. Ich ruinierte mir meinen Ruf. Und mein Ruf war damals alles. Mein Arzt verschrieb mir ein Antidepressivum. Und als das eine nichts half, verschrieb er mir ein anderes und dann wieder ein anderes.«
    »Ich dachte lange Zeit, ich sei einfach übermüdet und würde zu viele Dinge gleichzeitig erledigen«, sagte Cathy. »Ich arbeitete halbtags als Apothekerin, zog zwei Kinder groß, führte den Haushalt, rannte von einer Sache zur nächsten, wie ein kopfloses Huhn. Ich war erst sechsundvierzig, deshalb kam ich nie auf die Idee, ich könnte Demenz haben. Und dann, eines Tages bei der Arbeit in der Apotheke, konnte ich die Namen der Medikamente nicht mehr erkennen, und ich wusste nicht mehr, wie ich zehn Milliliter abmessen sollte. Das war der Augenblick, als ich begriff, dass ich imstande war, jemandem die falsche Menge

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