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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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aufzubauen, wo man Unternehmer a priori als Diebe und Gauner wahrnimmt.
    Michail Chodorkowski: »Worin liegt nun der Unterschied zwischen der Wohltätigkeit, wie sie im Ausland praktiziert wird, und dem zynischeren russischen Ansatz? Im Ausmaß der wechselseitigen Abhängigkeit und des wechselseitigen Respekts.
    Wenn ich Ihr Geld in meine eigene Tasche stecke, verpflichte ich mich gleichzeitig, die ›Machenschaften‹ zu verschleiern, mit denen dieses Geld erwirtschaftet wurde. Schließlich habe ich es angenommen. Wenn ich aber ein Kinderheim sponsere, und Sie sich daran beteiligen wollen, bin ich Ihnen dankbar; und wenn Sie mich nun Ihrerseits darum bitten, meine Zeit darauf zu verwenden, Ihre Papiere durchzusehen, dann sehe ich sie mir an, sage meine Meinung dazu und gehe dabei keinerlei Verpflichtung ein, irgendetwas zu ›verschleiern‹.
    Alle wissen alles. Aber erst, wenn das Maß der gegenseitigen Abhängigkeit wirklich klar ist, kann ein anderer Mensch, ohne seine eigene Zeit verschwenden zu müssen, sagen: Jawohl, ich bin bereit, mich mit xy einzulassen, weil eine respektable Person gesagt hat: ›Das geht.‹ Der Grund, warum die ›respektable Person‹ ihre Zeit darauf verwendet hat, die Situation zu analysieren, ist nachvollziehbar und nützt der Gesellschaft.
    Abgesehen davon gibt es auch deutlich weniger ›pragmatische‹ Schritte. So habe ich zum Beispiel die Bibliothek des US -Kongresses unterstützt, weil man dort im Internet einen Russland-Bereich eingerichtet hatte und ich mich mit der ›Föderation Internet-Bildung‹ befasste und gern ›Content‹ für die Lehrer an unseren Schulen haben wollte.
    Dazu kommt, dass Mr. Billington eine einmalige, großartige Persönlichkeit ist. 179 Er kennt Russland besser als viele russische Historiker.
    Oder Kissinger, ein politischer Akteur von Weltrang. Er wollte gern wieder in die russischen Angelegenheiten einsteigen (und hat es auch getan), und ich wollte verstehen, wie ›dort‹ Dinge erledigt werden. Er hat mir geholfen. Er hat mir einiges erzählt und mich mit Leuten bekannt gemacht. Und Ähnliches mehr.
    Dank einer gewaltigen Arbeit konnten wir (Yukos) innerhalb von drei Jahren die einflussreichen Figuren im Westen davon überzeugen, dass wir uns wirklich gewandelt hatten. Das Wichtigste war, sie dazu zu bringen, sich uns und unsere Veränderungen bereitwillig anzuschauen.Natürlich wäre es lächerlich gewesen, auf einen hundertprozentigen Erfolg zu hoffen, aber Sie werden mir zustimmen, einiges haben wir doch erreicht, sodass sich die Ereignisse von Ende 2003 schon vor einem ganz anderen Hintergrund abspielten, als dies noch 1995 und sogar 1999 möglich gewesen wäre.
    Aber dass irgendwer seine Hand über uns halten würde, haben wir uns nicht eingebildet. Die Geschichte mit Gussinski stand uns allen noch deutlich vor Augen.«
    Ende 2002 kam Chodorkowski mit einem Angebot zu Premierminister Kassjanow, das sich, so schien es, kaum ausschlagen ließ. Chodorkowski bot an, für die Privatisierung nachzuzahlen, dieses Thema ein für allemal abzuschließen und eine einmalige Entschädigungssteuer für die Begünstigten der Privatisierung im Lande einzuführen – nach Tony Blairs Modell aus der Zeit nach 1997 in Großbritannien. Es ist klar, dass so ein Vorstoß nicht allen Mitgliedern des Russischen Industriellen- und Unternehmerverbandes gefallen konnte.
    Michail Kassjanow, russischer Regierungschef von 2000 bis 2004: »Chodorkowski kam mit diesem Gesetzentwurf zu mir. Allein. Er schlug vor, die Geschichte mit der Privatisierung abzuschließen. Im Grunde ging es darum, dass die Unternehmer eine Nachzahlung anboten. Er sagte, das wäre gut für die Wirtschaft, und die Regierung wolle die Wirtschaft doch unterstützen, und gleichzeitig wäre es gut für das Land. ›Uns ist klar, dass das alles nicht gerecht war‹, sagte er – und er hätte hier einen Gesetzesentwurf dabei, auf gerade mal zwei Seiten. Es war offensichtlich, dass er nicht nur in seinem eigenen Namen sprach, sondern im Namen einer Gruppe von Großunternehmern. Er betonte das nicht, aber anhand einiger Bemerkungen und Erläuterungen war es klar.
    Außerdem sagte er, wir sollten ihnen nur bitte nicht diktieren, wer wie viel Geld einzahlen sollte, mit anderen Worten: Wir sollten es ihnen überlassen zu bewerten, wie ungerecht die einzelnen Fälle waren. Er sagte, sie wüssten untereinander schon genau, wie viel jeder dem Staat zurückzahlen müsste. Er schlug also eine prinzipielle

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