Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
einfach nehmen sollen.
Zu Putin ging ich nicht mit dem Ziel, die Enteignung zu verhindern. Wenn sie es unbedingt brauchten, bitte sehr. Ich bat ihn aber um ein Schreiben, damit wir den Arbeitern erklären konnten, warum sie nicht mehr an diesen wunderbaren Urlaubsort fahren konnten.
Die Sache war ja ganz einfach: »Die Präsidialadministration hat darum gebeten« war etwas anderes als wenn das Sanatorium einfach so weg war – dann hätte es geheißen: »Verkauft haben sie es, die Schufte, die Arbeiter sind ihnen egal, die stopfen sich nur die eigenen Taschen voll!«
Aber Putin ging darauf nicht ein. Damit war klar, mit welchem Modell von Beziehungen wir es zu tun hatten: Es war das Modell der »Schutzgelderpressung«, das man aus den neunziger Jahren kannte: Du zahlst, und sie nehmen sich trotzdem, was ihnen gefällt.
Natürlich war damit noch nicht sofort alles klar für mich, aber es war ein erstes Alarmsignal. Um es gleich zu sagen: Die Ereignisse in der Gurjanowa-Straße, 181 der Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges und der Untergang der Kursk hatten diese Wirkung nicht für mich, weil ich einerseits nicht genug darüber wusste und weiß, und weil mir andererseits nur zu bewusst war, wie angreifbar jemand in einer solchen Position ist. Was Gussinski und den Sender NTW betrifft, 182 glaubte ich zunächst nicht, dass Putin persönlich dafür verantwortlich war, bis mir jemand, vor dem ich großen Respekt hatte, die Situation aus erster Hand schilderte.
Die Schließung von NTW hat mich sehr getroffen. Und dabei ging es gar nicht nur um Gussinski. Viele von den Leuten bei NTW kannte und mochte ich sehr, wir hatten uns vor der Übernahme oft getroffen und taten das auch währenddessen und danach. Diese ganze widerliche Geschichte hat mir emotional wirklich einen Knacks gegeben. Meine innere Loyalität gegenüber der Staatsmacht, die ich mir aus der Zeit Boris Jelzins bewahrt hatte, war danach verloren.
Ich hatte die Sache aus der Nähe verfolgt, wir hatten alle oft darüber geredet. Gussinski hatte wirklich einen Kredit bei Gazprom aufgenommen, und er hatte wirklich versucht, die Regierung politisch zu erpressen, damit sie Gazprom dazu brachte, seinen Kredit zu verlängern. Aber genau an diesem Punkt stellte sich die Frage, wofür sich die Staatsmacht entscheiden würde. Welches Signal würde sie mit ihrer Entscheidung aussenden? Es gab ja mehrere Möglichkeiten: Man konnte den Kredit verlängern, eine externe Finanzverwaltung einführen, einen Beirat gründen usw. Rechtlich sprach nichts dagegen.
Als ich die Situation mit den Kollegen aus dem Russischen Industriellen- und Unternehmerverband besprach, kamen wir auf die Frage, wessen Interessen grundsätzlich Vorrang hätten – die der Gazprom, die den Kredit zur Verfügung gestellt hatte (Schutz des Eigentums), oder die der Öffentlichkeit, die einen Anspruch darauf hatte, dass es vom Staat unabhängige elektronische Medien gab (Meinungsfreiheit). Damals habe ich zum ersten Mal mein politisches Credo formuliert, das sich von der Haltung einiger meiner Kollegen unterschied: Die Meinungsfreiheit geht vor. Was natürlich nicht hieß, dass man Kredite nicht zurückzuzahlen brauchte, aber ein Kreditgeber, dessen Interessen sich mit einem wichtigen öffentlichen Interesse überschnitten, konnte und musste solche Dinge meiner Meinung nach voraussehen. Er wäre somit verpflichtet gewesen, bei der Lösung des Konflikts der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, die Balance zwischen dem eigenen und dem öffentlichen Interesse zu wahren.
Die Staatsmacht zog es dagegen vor, die Situation dazu zu nutzen, bestimmten Leuten demonstrativ den Mund zu verbieten und sie zu verhöhnen. Es war abstoßend. Eine Staatsmacht, die so etwas inszeniert und sich so verhalten hatte, war nicht mehr »meine«. Sie zerfiel jetzt in einzelne Verbündete und Gegner.
Ich versuchte zu helfen – und wir halfen der Media-Most - Holdingauch. Das Yukos-Direktorium unterstützte mich, aber unsere Möglichkeiten waren begrenzt. Beim ersten Strafverfahren gegen mich wurde mir all das prompt »aufs Brot geschmiert«. Allerdings hatten sie immerhin genug Verstand, die entsprechenden Anklagepunkte zumindest in der Berufung wieder zu streichen. Doch das war erst später. Damals unterschied ich noch zwischen Putin und bestimmten Mitgliedern seines Teams – ein Wahrnehmungsfehler, aufgrund dessen ich im Februar 2003 denn auch versuchte, Putin in der Frage der Korruption umzustimmen.
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