Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
dieses persönliche Element kommt, das ich in Putins Verhältnis zu mir sehe? Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht, aber ich habe meine Vermutungen. Ein wichtiger Drahtzieher war dabei ein Mann, der Putin sehr nahesteht: Igor Setschin. Wobei Setschin nicht nur und nicht in erster Linie auf eigene Faust vorging. Er hatte im Verlauf eines Jahres versuchsweise mehrere mögliche Vorgehensweisen in den »politischen Raum« durchsickern lassen. Welcher dieser Ansätze letztlich anschlug, lässt sich nur schwer mit Bestimmtheit sagen. Von denen, die heute nach einer Erklärung für Putins »persönliches« Verhältnis zu mir suchen, braucht ein Teil lediglich eine moralische Rechtfertigung für die eigene Loyalität gegenüber Putin. Andere versuchen heute, nach über acht Jahren, noch immer die »wunden Punkte« jedes einflussreichen Teils der Gesellschaft aufzuspüren, nur um zu beweisen, dass das, was mit mir geschehen ist, gerechtfertigt war. Bei diesen Leuten handelt es sich um professionelle Mythenschöpfer, und da die Medien in ihren Händen sind … Ich jedenfalls verzichte darauf, gegen diese Mythen anzukämpfen.
Doch die Wahrheit ist eine andere, was auch immer die Teilnehmer des ersten sogenannten »Schaschlik-Empfangs« behaupten mögen. 183 Einige von denen, die bei diesem Empfang mit von der Partie waren, haben mir vorgeworfen, ich hätte die von Putin vorgeschlagenen Spielregeln erst akzeptiert und mich dann nicht daran gehalten.
Aber erstens war natürlich nie die Rede davon gewesen, die Lobbyarbeit einzustellen, schließlich ist das nicht nur eine normale Praxis, sondern eines der wesentlichen Strukturelemente des heutigen Systems. Zweitens gab es natürlich auch keine Abmachungen darüber, dass bestimmte politische Parteien keine Unterstützung erfahren durften. Das ist Teil der Lobbyarbeit. Der Kreml verfügte dabei allemal über genügend Kontrollinstrumente: Nicht von ungefähr lag die gesamte Liste der rund achtzig Abgeordneten, die von der Wirtschaft unterstützt wurden (und die mir zugeschrieben wurden, obwohl das natürlich eine allgemeine Liste aller Unternehmen war, weshalb die meisten dieser Abgeordneten nach meiner Verhaftung auch ohne Weiteres den Einzug in die Duma schafften) bei Surkow. Drittens gab es keinerlei Vereinbarungen darüber, dass man sich persönlich nicht politisch engagieren sollte. Wie es um unser Wählerpotenzial bestellt war, wusste jedes Kind. Darüber wurde also nicht einmal gesprochen.
Worüber dagegen sehr wohl gesprochen wurde, war, dass die Unternehmen sich nicht politisch engagieren sollten. Das war in der Tat ein ernster Schritt. Während der Pfandauktionen 1995/1996 hatten wir selbst das politische Spiel der »roten Direktoren« durchkreuzt. Es war klar, dass ein einziges Unternehmen in der Größenordnung von Yukos, wenn es im richtigen Moment agierte, die Umfragewerte des Machtapparats ernsthaft ins Wanken bringen konnte. Wir belieferten sechzig verschiedene Regionen mit Erdölprodukten, in zwanzig bis fünfundzwanzig davon waren wir regionale Monopolisten. Erdölprodukte aus anderen Regionen in ausreichender Menge dorthin umzuleiten, war entweder gar nicht möglich oder dauerte mehrere Wochen. Ist damit nicht alles gesagt? Ganz zu schweigen von den »Monostädten« – davon hatte Yukos allein zwanzig!
In dieser Frage haben wir also tatsächlich eine Zusage gegeben, und zwar nicht, weil wir plötzlich Angst bekommen hätten, sondern weil wir das für richtig hielten. Versorgungsfragen dürfen in einem politischen Spiel nicht zum Einsatz werden (obwohl das oft genug vorkommt). Ich habe mein Versprechen gehalten. Selbst nach der Verhaftung. Vielleicht nicht so sehr wegen Putin, sondern mehr um meiner Mitarbeiter und ihrer Familien willen, aber ich habe es eingehalten. Obwohl ich durchaus manchmal versucht war, es zu brechen, und auch Gelegenheit dazu gehabt hätte.
Nun zur sogenannten »Oligarchenkolchose«. Sie hatte sich nicht zusammengeschlossen, um die Macht zu übernehmen, und sie hat auch nie über staatliche Macht verfügt. Die Politikexperten haben sich mit dem irrigen Begriff »Oligarchen« selbst verwirrt. Wenn überhaupt jemand dieser Kategorie zuzuordnen war, dann vielleicht Beresowski. Den anderen, auch mir, ging es um die Industrie, ums Geschäft, nicht um die Macht im Staat. Unsere Sicherheitsdienste, die in den müßigen Fantasien so mancher zu Privatarmeen angewachsen waren, waren tatsächlich erstens nur im Hinblick auf ganz
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