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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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einfache, pragmatische Objektschutz-Aufgaben wirklich schlagkräftig, und zweitens bestanden sie im Wesentlichen aus ehemaligen oder noch aktiven (auf Vertragsbasis beschäftigten) Mitarbeitern der Strafverfolgungsbehörden und waren insofern offensichtlich ungeeignet für einen Konflikt mit der herrschenden Bürokratie.
    Die Wirtschaft neigt nicht zum Kämpfen, sondern zur Anpassung.
    Ich bin ein Sonderfall. Mir hatte man nicht einfach nur zugesetzt, sondern mit der Verhaftung eines Freundes einen harten, wirklich schmerzhaften Schlag verpasst. Und selbst in diesem Moment habe ich noch keinen Krieg vom Zaun gebrochen, sondern, solange das möglich war, einen Kompromiss gesucht. Erst als alle Möglichkeiten ausgeschöpft waren, stellte ich mich auf die Hinterbeine. In einer normalen Situation wäre das nicht passiert.
    Der unmögliche Kompromiss
    Oft heißt es, ich würde »aus dem allgemeinen Rahmen fallen«. Warum eigentlich? Wegen unserer offenen Zusammenarbeit mit der Regierung und der Staatsduma in Bezug auf die Probleme der Branche? Oder wegen der Bildungsvorhaben und humanitären Projekte, die wir initiiert und unterstützt haben: der »Föderation Internet-Bildung«, der »Neuen Zivilisation«, der »Public Policy School« oder des »Clubs der regionalen Journalisten«? Oder wegen noch anderer Dinge? Wegen der Unterstützung für NTW ?
    Ich sah, wohin wir gingen, wohin mein Land ging, und ich hielt es für möglich, diese Entwicklung vielleicht nicht umzukehren, aber zumindest abzumildern. Dafür musste man mit der öffentlichen Meinung arbeiten. Das haben wir versucht, in der Erwartung, damit auf Verständnis und Unterstützung zu stoßen. Und wir fanden sie auch, nicht zuletzt innerhalb der Business-Community. Gegenwärtig will ich, aus nachvollziehbaren Gründen, hier nur Kacha Bendukidse nennen. 184 Aber auch im politischen Establishment – aus ebenso nachvollziehbaren Gründen kann ich nur den ehemaligen Premierminister Michail Kassjanow und den ehemaligen Leiter der Präsidialadministration Alexander Woloschin erwähnen. Es gab aber auch eine sehr starke »Gegenkraft«, vertreten durch Igor Setschin. Übrigens stand für den Schlag unserer Gegner zunächst eine ganze Reihe von Unternehmen zur Auswahl. Am 19. Februar 185 aber strengten sie sich richtig an und trafen ihre Entscheidung. Die weiteren Schritte diktierte dann die Logik des Kampfes und das für Setschin wie Putin gleichermaßen gültige Postulat, die eigenen Leute nicht im Stich zu lassen. Ich will anmerken, dass ich bis August 2003 nicht gegen Putin kämpfte, sondern um die Wahl, die sowohl Putin als auch die Gesellschaft zu treffen hatten. Erst im August wurde mir endlich klar, dass Putin seine Wahl längst getroffen hatte. 186
    Ich bin also weder ein Held noch ein Außenseiter, sondern ein Teamplayer, dessen Mannschaft verloren hat. In dieser Phase zumindest. Alles Weitere waren die üblichen byzantinischen Spielchen, eigennützige Interessen einer Menge zum Absahnen entschlossener Kleingeister. Alles in allem der Alltag eines autoritären Regimes.
    Warum ich mich überhaupt mit diesen Projekten abgegeben habe? Ich bin generell ein »Mann der Ideen«, und das Team, das ich hatte, war ein »Team der Ideen«. Das war immer so gewesen. Es war nur im Schatten von Boris Jelzins Mannschaft nicht aufgefallen, während neben Putins Team der Kontrast beträchtlich war.
    Zweifellos hätte man sich einigen können. Zumal es durchaus angesehene und maßgebliche Personen gab, die dazu konkrete Vorschläge machten. Aber was wäre der Preis einer solchen Einigung gewesen? Vielleicht hätte ich das Unternehmen sogar halten können (obwohl ich mir da inzwischen nicht mehr sicher bin). Die Einigung hätte aber bedeutet, Schmiergeld zu zahlen, und zwar, mit Rücksicht auf die veränderten Regeln, direkt in die Tasche ganz konkreter Personen. Schmiergeld in Größenordnungen, die sich vor den Aktionären, Banken und anderen nicht hätten verheimlichen lassen.
    Es wird niemanden sehr verwundern, dass ich in der Anfangsphase versucht habe, mich dieser Entwicklung entgegenzustellen. Bis zu Platons Verhaftung. Nach der Verhaftung, als klar wurde, dass er eine Geisel war und dass sie ihn in keinem Fall freilassen würden, egal, was man sagte, war ein Kompromiss mit diesem Teil des Kreml nicht mehr möglich. Es lag auf der Hand, dass irgendjemand gehen musste. »Gegangen wurde« ich.
    Expansion ins Ausland
    Nun zur Frage der Absicherung durch Expansion ins Ausland.

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