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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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187 Natürlich gab es diese Absicherung, aber das war eine Absicherung des Unternehmens! Eine Absicherung gegen eine allzu starke Anhebung der Steuern und hohe Lizenzgebühren, nicht aber gegen die Willkür der Silowiki! Diese zwei Arten von Risiko sollte man nicht verwechseln. Gegen das eine kann ein nationales Unternehmen sich durch Diversifizierung schützen. Gegen das andere ganz offensichtlich nicht. Wenn du nicht an dein Land glaubst, musst du dein Unternehmen verkaufen, weggehen und ausreisen. Etwas anderes bleibt einem Geschäftsmann nicht übrig.
    Der Kampf in der Arena der politischen Macht ist ein völlig anderes Metier. Sich für seine eigenen Interessen starkzumachen, ist für die Wirtschaft normal. Eine Konfrontation mit dem staatlichen Machtapparat aber nicht. Dafür braucht man einen anderen Menschenschlag, andere Abmachungen und ein anderes Denken. Etwas anderes verbreiten nur irgendwelche Krimiliebhaber, die nichts Besseres zu tun haben, oder Leute, die vom Mittelalter auf das 21. Jahrhundert schließen. Jedenfalls kam die Veränderung der Spielregeln – weg vom parlamentarischen und hin zum autoritären Ansatz – tatsächlich unerwartet.
    Warum hatte ich das nicht für möglich gehalten? Auch dafür gibt es eine Erklärung. Der Übergang zu einem Modell der gewaltsamen Einflussnahme geschah in einer insgesamt normalen politischen Situation, in der es genügend politische Hebel gab (vielleicht nicht in den Händen des Setschin-Lagers, aber in der Hand des Präsidenten, und der war es schließlich auch, der das gewaltsame Vorgehen sanktioniert hat). In dieser Situation war ein solcher Schritt offensichtlich unangemessen. Der Schaden, den er dem Land zugefügt hat, der Wirtschaft, dem Ruf der Staatsmacht und den Perspektiven der gesellschaftlichen Entwicklung, ist nicht zu beziffern. Er ist in jedem Fall enorm.
    Heute, im Rückblick, ist klar, dass in dieser Hinsicht nichts Überraschendes passiert ist. Die Verluste bewegen sich in den Größenordnungen, die zu erwarten waren. Und der Nutzen (wenn wir vom politischen Nutzen, vom Nutzen des Staates sprechen) wäre ohne Weiteres auch außerhalb des gewaltsamen Paradigmas zu haben gewesen.
    Der persönliche Nutzen für den »Freundeskreis« wurde natürlich just auf diesem Wege erzielt. Allerdings waren die Interessen dieses »Freundeskreises« und Putins eigene Interessen ganz klar nicht identisch. Es war ja offensichtlich, dass Putin sich selbst schadete, und der Nutzen wäre für ihn problemlos auch ohne diesen Schaden zu erzielen gewesen.
    Eben hier, in diesem Kalkül, lag mein Fehler. Die Psychologie des Silowik ist einfach eine andere.
    Übrigens sind Berechnungen dieser Art nicht mein Element. Darum kümmerten sich bei uns andere Leute. Für mich unterschied sich die damalige Situation nicht von dem normalen, alltäglichen politischen Geschäft, und ich wollte einen Paradigmenwechsel herbeiführen, von der »ursprünglichen Akkumulation« hin zu einer normalen Entwicklung. Mir schien es dafür mehr als genug absolut stichhaltige Argumente zu geben, die den Präsidenten überzeugen mussten.
    Die Tatsache, dass jemand in seinen persönlichen Interessen benachteiligt wurde, war an sich nichts Ungewöhnliches. Auch ich hatte manchmal gewonnen, manchmal verloren. Das ist normal. Global betrachtet, waren wir doch alle auf der Gewinnerstraße. Sogar Setschin. Auch er hatte schließlich sein »Business-Revier«, das ebenfalls im Wert gestiegen wäre.
    Aber Silowiki spielen anders. Das weiß ich jetzt. Eben deshalb stürzen sie die Länder, Regionen und Unternehmen, in denen sie sich nicht nur um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, sondern um die allgemeine Entwicklung, gewöhnlich auch ins Verderben. Ausnahmen sind selten und bestätigen lediglich die Regel. Silowiki, die in der Verwaltung oder in der Wirtschaft Erfolg haben, sind Leute, die früher einfach nicht am richtigen Platz waren.
    Ich habe das Denken der Strafverfolger nie verstanden. Meine Idee war einfach: Damit das Land einen gebührenden Platz in der Weltwirtschaft einnehmen kann, braucht es Unternehmen der »Champions League«. Yukos hätte durchaus ein solches Unternehmen werden können. Voraussetzung dafür war eine Reihe von Maßnahmen, und ich war dabei, diese Maßnahmen eine nach der anderen umzusetzen: Fusion, IPO , Fusion auf internationaler Ebene, internationale Projekte, Diversifizierung in Richtung Gas und alternative Energiequellen und so weiter.
    Da diese Linie dem Land

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