Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
durchaus möglich.
Das war im Wesentlichen die Zukunft, für die ich mich entschieden hatte. Doch das Leben erwies sich als komplizierter. Plötzlich standen Fragen von Ehre und Pflicht im Raum. Dagegen musste alles andere zurückstehen. Große Worte? Mag sein. Aber anders kann ich nicht denken.
Schlagabtausch
Meine Äußerung zur Korruption bei der Zusammenkunft mit Putin am 19. Februar 2003 war durch die Interessen meines Unternehmens motiviert. Es gab zwei zentrale Probleme: Die Beamten hatten jegliches Schamgefühl verloren und verlangten gigantische Beträge von mehreren Millionen nicht etwa zugunsten irgendwelcher humanitärer oder politischer Ziele, wie das früher üblich gewesen war, sondern direkt für die eigene Tasche. Derartige Zahlungen waren erstens ein klarer Straftatbestand, und zweitens hätten das unabhängige Direktorium des Unternehmens, die Auditoren und ausländischen Finanzkontrolleure so etwas nie durchgehen lassen, denn in ihren Ländern gab es Gesetze, die Korruption auf internationaler Ebene untersagten. Und auch das war nur die eine Hälfte des Problems. Die zweite Hälfte war, dass analoge Gesetze auch für das russische Management von Unternehmen galten, die sich auf einen Börsengang vorbereiteten. Sollte man also so etwas unterschreiben und das Risiko eingehen, sich mit der westlichen Justiz anzulegen? Nie im Leben! Im Westen interessiert sich niemand für die russischen Realien.
Und doch – das werden Sie vielleicht nicht glauben – waren die konkreten Probleme meines Unternehmens nicht der einzige Grund für meine Demarche. Was mich zutiefst beunruhigte, war die Tatsache, dass die Korruption allmählich zu einer systemischen Erscheinung wurde.
Was ich darunter verstehe? Jede Korruption ist schlecht. Doch solange sie nur eine Nebenerscheinung der üblichen, ganz normalen unternehmerischen Entscheidungen ist, bei der sich jemand vom Gewinn ein »kleines Stückchen abzweigt«, ist die Situation noch nicht kritisch. Viel schlimmer ist es, wenn das Ausmaß der Korruption und der Umfang der Schmiergeldzahlungen so weit anwachsen, dass die Komponente der Korruption bei unternehmerischen Entscheidungen an erster Stelle berücksichtigt wird. Aber auch das ist nur ein Zwischenstadium. Von vollständig systemischer Korruption spreche ich dann, wenn sie zum eigentlichen Ziel von Geschäften, zu deren einzigem realen Sinn wird. Ob es um eine Straße, eine Pipeline oder eine Lagerstätte geht – sie sind hier nur der Vorwand für eine weitere »Umverteilung« von Eigentum. Eine solche Art von Korruption bremst die Wirtschaft nicht nur, sie richtet sie zugrunde.
Genau das war es letztlich, was ich dem Präsidenten vor Augen führen wollte. Und dass Leute, die sich solche Ziele setzen, nicht am Steuer stehen und keine für den Staat wichtigen Entscheidungen treffen sollten. Doch Putin hatte leider schon entschieden. Wie, wissen heute alle.
Tatsächlich aktuell war damals die Frage der Notierung der russischen Kapitalgesellschaften, aufgrund der allgemeinen Instabilität der Rechtsnormen und der Praxis der Rechtsanwendung, insbesondere bei der Besteuerung. Wir nahmen das sehr ernst. Wir stellten ein starkes Team zusammen und erarbeiteten eine ganze Reihe von Gesetzentwürfen, zum Teil gemeinsam mit der Regierung, zum Teil auch im Dissens mit ihr. Dabei ging es sowohl um den Verzicht auf das Production Sharing Agreement (mit Ausnahme von Projekten in der Schelfzone) als auch um den gleichberechtigten Zugang zur Pipeline Transneft sowie eine fixe Abgabenstaffelung in Abhängigkeit von den Weltmarktpreisen für Erdöl. Und vieles mehr.
Wir nahmen an den Parlamentsanhörungen teil (bisweilen organisierten wir sie auch) und arbeiteten auf der Expertenebene in der Staatsduma mit. Mein Kollege Wladimir Dubow beschloss sogar, ganz aus der Wirtschaft auszusteigen und stattdessen seine praktische Erfahrung in den Gesetzgebungsprozess einzubringen. Er kandidierte für die Staatsduma, wurde gewählt und arbeitete im Unterausschuss für Steuerfragen. Probleme unseres Unternehmensverbundes versuchten wir also eher auf der Systemebene anzugehen als nur durch Gespräche mit dem Präsidenten.
Vertrauen: Woloschin und Abramowitsch
Was Alexander Woloschin betrifft, so habe ich ihm wirklich vertraut. Ich hatte ihn vor dem Treffen mit den Unternehmern gebeten, bei Putin in Erfahrung zu bringen, ob er wollte, dass ich mich in Anwesenheit der Journalisten zu Wort meldete. Ich sah, wie Woloschin etwas mit dem
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