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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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für Helden. Für Symbole. Kandidaten dafür werden händeringend gesucht. Ich hatte nie die geringste Lust, mich zu bewerben. Aber mich hat keiner gefragt. Die Epoche, in der man lebt, kann man sich eben nicht aussuchen.
    Hatte ich damit gerechnet, eines Tages vor dieser Frage zu stehen? Habe ich diese Linie bewusst verfolgt? Nein. Es haben sich einfach bestimmte Situationen ergeben, in denen ich mich entscheiden musste. Gut möglich, dass es mir niemand verübelt hätte, wenn ich mich anders entschieden hätte. Vielleicht hätten andere Leute damit auch leben können. Aber ich hätte es nicht gekonnt. Manchmal, wenn es besonders kritisch wurde, hätte ich das gern gewollt, aber ich konnte nicht.
    Ich habe mein gesamtes bewusstes Leben mit Höchstgeschwindigkeit gelebt. Ich habe immer riskiert. Nicht aufs Ganze zu gehen, etwas in Reserve zu halten, mit halber Kraft zu spielen, das ist nichts für mich. Ich lebe auch jetzt noch so. Meine Frau macht sich zwar Sorgen, aber noch nie, nicht ein einziges Mal hat sie versucht, mich zum Aufhören zu bewegen. Sie weiß, dass das unmöglich ist.
    Dass es einen Absturz in irgendeiner Form geben würde, wusste ich, das hatte ich kommen sehen. Mehr noch, meine Analytiker hielten dieses Szenario (das des Scheiterns) für unausweichlich. Es war ja nicht das erste Mal. Ich bin immer durch Krisen gegangen.
    Dass es so hart kommen würde, hat niemand geahnt. Dass unsere Gegner das übliche Spielfeld einfach verlassen würden. Manchmal kommt es ja vor, dass einem ein Rivale schlicht das Spielbrett umdreht. So war es auch hier …
    Meine Schuld gegenüber denen, die nicht »zu meinen Konditionen spielten«, ist mir ständig bewusst. Es gibt nur eine Rechtfertigung: Ich habe tatsächlich nicht geglaubt, dass so etwas möglich wäre. Ich habe nicht geahnt, dass die Regeln so sehr missachtet würden. Dass die Repressionen so offensichtlich überzogen ausfallen würden. Das ist wirklich bitter für mich.
    War mein Ziel diesen Preis wert? So stellt sich mir die Frage nicht. Ein anderer Mensch hätte ein anderes Leben leben können. Verhalte ich mich adäquat? Entspreche ich der Norm? Ich weiß es nicht. Das werden andere zu beurteilen haben. Ich hoffe, ich werde es nicht erfahren.

    180 Rus war ein Sanatorium in Sotschi am Schwarzen Meer, das Yukos zusammen mit der VNK übernommen hatte. Yukos hatte 1999 die restlichen Aktien des Sanatoriums in Höhe von 300000 Dollar aufgekauft. Das Sanatorium war als Erholungsort für Arbeiter und Angestellte des Unternehmens gedacht. Später wurde es von Putins Präsidialadministration enteignet und ging beim Ausverkauf der Yukos-Vermögenswerte für zehn Kopeken formal in den Besitz des Unternehmens Rosneft über. (Anm. Natalija Geworkjan)
    181 Gemeint ist eine Serie von Explosionen in Moskauer Wohnhäusern im September 1999, als Putin Premierminister war und sich auf die Übernahme des Präsidentenamts vorbereitete. (Anm. Natalija Geworkjan)
    182 Der erste private russische Fernsehsender NTW gehörte Wladimir Gussinski. Gussinski wurde im Sommer 2000 verhaftet; einige Unternehmer, einschließlich Chodorkowski, setzten sich für ihn ein. Gussinski unterschrieb, was der Kreml von ihm verlangte, verließ das Gefängnis und ging außer Landes. Eine große Zahl von NTW-Mitarbeitern leistete Widerstand gegen den erzwungenen Verkauf von NTW. Im April 2001 wurde der Sender in einer Nachtaktion besetzt. Daraufhin kündigten die meisten Mitarbeiter; der Sender wurde vom neuen Haupteigentümer Gazprom weiterbetrieben. (Anm. Natalija Geworkjan)
    183 »Schaschlik-Empfang« wurde Putins erstes Treffen mit einer Gruppe einflussreicher russischer Unternehmer auf Putins Datscha getauft, bei dem angeblich Schaschlik gegrillt wurde. Offizielle Angaben zu diesem Treffen liegen nicht vor. Es fand vermutlich im Jahr 2000 statt. (Anm. Natalija Geworkjan)
    184 Kacha Bendukidse, ein russischer Großunternehmer georgischer Herkunft, war bis 2004 Vizepräsident des Russischen Industriellen- und Unternehmerverbandes; ab 2004 arbeitete er in der georgischen Regierung, 2009 trat er zurück. Bendukidse lebt und arbeitet bis heute in Georgien. (Anm. Natalija Geworkjan)
    185 Am 19. Februar 2003 fand Putins Treffen mit den Wirtschaftsvertretern statt, bei dem es zur Auseinandersetzung zwischen Putin und Chodorkowski kam. (Anm. Natalija Geworkjan)
    186 Im August 2003 erwähnte Chodorkowski öffentlich gegenüber der Presse Differenzen zwischen den Liberalen und den Silowiki im Kreml.

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