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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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ausländischen Verhandlungspartner war die neue Situation nicht einfach. Es war unklar, wie die Märkte auf eine Übertragung der Kontrolle an russische Investoren und eine Vergrößerung des Portfolios für russische Projekte ausfallen würde. Die Verhandlungen liefen zäh.
    Nicht weniger schwierig waren die Vorbereitungen für die Integration mit Sibneft. Gleichzeitig entwickelte sich auch Yukos selbst weiter, das Unternehmen erschloss neue Regionen und baute seine Programme in den Bereichen Gas und Energiewirtschaft aus.
    Vereinfacht gesprochen, lässt sich alles, was wir bei Yukos machten, als eine Art Matrix darstellen, als ein Set von Arbeitsgängen, die von mehreren Teams gleichzeitig an ein- und denselben Objekten abgewickelt wurden. Im Ergebnis dieser einzelnen Arbeitsgänge, von denen jeder ein eigenes Ziel verfolgte, sollte schließlich ein Unternehmen dastehen, das die Märkte wegen seiner Effizienz und Größe positiv bewerten würden.
    Da die Produktion des Unternehmens anfangs im freien Fall begriffen war, die Produktionsanlagen verfielen und in der Verwaltung chaotische Zustände herrschten, und das bei einer schwierigen Finanzlage, war das erste Ziel eine Stabilisierung: Es galt, den Absturz bzw. Zerfall so einfach und schnell wie möglich zu stoppen, ohne groß darauf zu achten, wie effizient die daraus entstehende Konstruktion war.
    In dieser Phase war der wichtigste Faktor die Zeit. Das Ziel war, den Rückgang der Fördermengen und die Zunahme der Verschuldung zu beenden. Im zweiten Schritt ging es um eine Effizienzsteigerung, wobei der wichtigste Faktor die Selbstkosten waren. Das Ziel war hier, die Produktionskosten durch Prozessoptimierung und Einführung der ›global best practices‹ auf die bestmöglichen Branchenwerte zu senken. Wobei dieses Ziel langfristig angelegt und nicht mit einem einmaligen Kraftakt zu erreichen war. Im dritten Schritt ging es um die Sicherung der Entwicklung auf den angestammten Geschäftsfeldern. Das Ziel war, dem Unternehmen eine stabile Wachstumsperspektive bei den Ölreserven und den Absatzmärkten für die eigenen Erzeugnisse zu garantieren. Im vierten Schritt ging es um Nachhaltigkeit. Der wichtigste Faktor war hier die Diversifikation. Das Ziel war, das Unternehmen von ungünstigen äußeren Faktoren (Preisänderungen für die Produkte, Steuerpolitik der Behörden, Umweltauflagen usw.) unabhängig zu machen. Es ist klar, dass diese Schritte bei jedem neuen Asset neu durchlaufen werden mussten, um dann als wiederkehrende Verfahren fest verankert zu werden.
    Insgesamt konnten wir drei Schritte vollständig umsetzen und den vierten Schritt erfolgreich angehen. Doch nicht von ungefähr läuft Regierungshandeln in der Wirtschaftspraxis gemeinhin unter ›Force majeure‹.
    Jeder Schritt erforderte mehrere parallele Anstrengungen: organisatorische (Aufbau von Verwaltungsstrukturen), personelle (Auswahl und Schulung von Personal), finanzielle (Mobilisierung von Ressourcen), technische (Auswahl und Umsetzung konkreter Lösungen) und so weiter, und zwar auf allen Verwaltungsebenen der miteinander verbundenen Geschäftsbereiche wie Exploration, Aufschluss, Förderung, Transport, Verarbeitung und Absatz. Es fällt mir schwer, mit einfachen Worten die Komplexität der Aufgaben zu schildern, die wir zu lösen hatten. Die Litanei der Idioten, die allen Ernstes meinen, irgendwer hätte irgendwem einfach ein paar sowjetische Erdölfässer überlassen, und daraus sei in Strömen das Geld des Volkes geflossen, direkt in private Taschen, ist einfach nur lächerlich.
    Nur zwei Beispiele: Die Länge der Pipelines des staatlichen Monopolisten Transneft beträgt 40000 Kilometer. Yukos allein hatte genauso viel. Die Rohrleitungen innerhalb der Erdölfelder, durch die neben Erdöl auch Salzwasser fließt, halten ein bis zwei Jahre bis zur ersten Reparatur, nach fünf bis zehn Jahren müssen sie komplett ausgewechselt werden. Das heißt, die letzte sowjetische Rohrleitung innerhalb eines Förderfeldes war schon 2000 friedlich entschlafen.
    Auf einem bereits erschlossenen Erdölfeld sinkt die Ölförderrate jährlich um fünf bis sieben Prozent. Nachdem wir das Unternehmen 1996 mit einer Förderrate von 40 Millionen Tonnen (einschließlich VNK ab 1998) übernommen hatten, lieferten uns diese ›alten‹ Ölfelder 2003 daher bestenfalls noch 20 Millionen Tonnen, unsere Gesamtförderrate lag aber bei 80 Millionen! Ähnliches gilt für die Raffinerien und die Ölreserven. Der Name war

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