Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Murawlenko unterstützten die Kommunisten. Dubow hatte vor, für Einiges Russland zu kandidieren. Chodorkowski bat Dubow auch nach seiner Verhaftung noch, alle offenen Verpflichtungen gegenüber Jabloko zu erfüllen, was Dubow auch tat.
Vor den Duma-Wahlen im Dezember 2003 legten alle großen Unternehmensgruppen eine Liste der von ihnen unterstützten Kandidaten vor. Diese Sammelliste »der Wirtschaft« umfasste 80 bis 90 Personen, davon kamen rund 20 Kandidaten von Yukos. Die Liste wurde mit der Präsidialadministration abgestimmt, und zwar persönlich mit Surkow. Ein Teil der Leute lief über Parteilisten, unter anderem von Einiges Russland, andere gingen als Direktkandidaten in Einerwahlkreisen ins Rennen. Durch die Abstimmung mit der Präsidialadministration sollte insbesondere sichergestellt werden, dass »freundlich gesinnte« Kandidaten von verschiedenen Strukturen sich in einem Wahlkreis nicht ins Gehege kamen. In mehreren Fällen bat die Administration darum, Kandidaten »der Wirtschaft« in bestimmten Wahlkreisen zurückzuziehen, manchmal ergänzte sie umgekehrt auch ihre eigene Liste. Die Abstimmung der Namen und Wahlkreise hatte sich ziemlich in die Länge gezogen – begonnen worden war sie schon im vorigen Winter, also fast ein Jahr vor den Wahlen. Die endgültige abgeglichene Liste verblieb bei Surkow.
Kurz nach der Verhaftung Platon Lebedews, am 11. Juli, als bei Yukos erneut eine Haussuchung stattfand, kam Wladimir Putin mit Vertretern der Staatsduma zusammen. Sein Gespräch mit dem damaligen Präsidenten der unteren Kammer des Parlaments, Gennadi Selesnjow, fasste die Zeitschrift Wlast kurz zusammen: »Putin: Ich bin zwar gegen Gefängniszellen und Daumenschrauben, aber der Einfluss der Wirtschaft ist so groß, dass man manchmal auch zu solchen Maßnahmen greifen muss. Selesnjow: Stimmt, Wladimir Wladimirowitsch, vor lauter Wirtschaftlobbyisten kriegt man bald keine Luft mehr in der Duma. Putin: Sehen Sie, sogar Gennadi Nikolajewitsch [Selesnjow] stellt fest, dass die Wirtschaft ihren Einfluss auf den Staatsapparat ausweitet.« 191
Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte zu dieser Zeit bereits einer von Chodorkowskis »Wohltätern« im Kreml Putin die gesamte Liste der von der Wirtschaft nominierten Kandidaten für die Staatsduma vorgelegt und sie als Yukos-Liste ausgegeben. Die Duma hat 450 Plätze. Wenn es gelungen war, Putin weiszumachen, dass etwa ein Fünftel davon Yukos vertreten würde, war seine negative Reaktion durchaus vorhersehbar. Und das war mit Sicherheit nicht das einzige kompromittierende Material gegen Chodorkowski, das in dieser Zeit über Putins Schreibtisch ging.
Leonid Newslin: »Ich weiß noch, wie Mischa mir erzählte, dass er sich tatsächlich vor Putin rechtfertigen und ihm versichern musste, er hätte nicht die Absicht, ExxonMobil ein Aktienpaket mit Kontrollmehrheit oder gar 50 Prozent der Aktien zu verkaufen, und darüber werde auch nicht verhandelt. Putin musste von irgendwem die Information bekommen haben, dass Mischa bei den Verhandlungen mit Exxon nicht nur 25 Prozent, sondern die Hälfte oder noch mehr angeboten hätte. Putin war generell dagegen, die Kontrollmehrheiten der Erdölgesellschaften zu verkaufen. Irgendwer, der das wusste, hatte ihn offenbar auf die Idee gebracht, dass Chodorkowski ihn hintergehen wollte.«
Hätte Chodorkowski die Duma kaufen können, einfach die gesamte Duma, bis zum letzten Abgeordneten? Ich weiß nicht, wie korrupt die Abgeordneten wirklich sind, aber ich denke, selbst bei einer sehr hohen Bestechlichkeit wäre er zwar technisch dazu in der Lage gewesen – Mittel hatte er genug –, aber nur im Fall einer Übereinstimmung sämtlicher Interessen. Schließlich hatte jeder der Akteure seine »eigenen« Abgeordneten, seine Lobby und seine Interessen.
Im November 2011 antwortete Chodorkowski in einem schriftlichen Interview für den Radiosender Echo Moskwy auf die Frage, ob er tatsächlich Stimmen in der Duma gekauft habe, um aus Russland eine parlamentarische Republik zu machen: »Nein. Um die Verfassung zu ändern, braucht man mehr als zwei Drittel der Duma, ›kaufen‹ aber konnte man nicht einmal die Hälfte. Außer Yukos gab es ja auch noch Gazprom und alle anderen Unternehmen, ganz zu schweigen von der Präsidialadministration und den Gouverneuren.«
»Kompromat«
Als sich Putin und Chodorkowski im April trafen, hatte beim Föderalen Sicherheitsdienst FSB bereits eine eigens für den Fall Yukos eingerichtete Sondereinheit ihre
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