Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
gehen.« 192
Leonid Newslin: »Ich war skeptisch, was diesen Deal anging. Ich will versuchen, das zu erklären. Roman Abramowitsch kam damals mit dieser Initiative an. Und zwar nachdem er vorher Putin umgarnt und mit ihm gesprochen hatte. Ist doch klar, oder? Sie waren schließlich Freunde, da konnte er so eine große Sache nicht unerwähnt lassen. Er kommt also zu Chodorkowski. Chodorkowski bespricht sich mit seinen Leuten und sagt: Sehr interessant, dieser Vorschlag, für alle vorteilhaft, einen Haken sehe ich nicht dabei. Und dann sagt er zu Roman: Wir müssen zu Putin gehen und uns das genehmigen lassen. In Ordnung. Sie gehen also zu Putin und Putin sagt: Ja, ich genehmige das, schließt euch zusammen. Und nun sagt Mischa: Wir planen außerdem, in einer zweiten Phase auch noch mit den Amerikanern zu fusionieren, und dann wird aus dem russischen ein russisch-amerikanischer Konzern, einer der größten der Welt – das bringt Prestige für Russland, der Einstieg ins Big Business. Darauf Putin: Aber tretet mir nicht mehr als 25 Prozent an den Gesamtkonzern ab! Schließlich sind die russischen Erdölgesellschaften bisher noch unterbewertet. Einverstanden, sagt Mischa. Das war jene berühmte Unterredung bei Putin auf der Datscha.
Sie hatten sich geeinigt. Die Fusion hatte begonnen. Aber parallel dazu lief ein zweiter Prozess, den Setschin steuerte – mit Nachforschungen, Überwachung und so weiter, wovon wir allerdings erst später erfuhren. Auch auf dieser Schiene dauerte es Monate, ehe sich etwas Konkretes tat: Die erste Verhaftung, Pitschugins Verhaftung, kam im Juni 2003.
Und nun zu der Konstruktion, die ich sehe: Da ist auf der einen Seite Putin, der die Sache genehmigt hat, und da ist sein guter Freund Roman, der Putin tatsächlich nahesteht, der ihn an die Macht gebracht hat und der jetzt mit ihm über seinen wichtigsten Vermögenswert, über sein wichtigstes Unternehmen spricht: Sibneft. Putin aber ist der Ölsektor auch nicht gleichgültig, auch er interessiert sich dafür. Und dann ist da noch Setschin, der ebenfalls ein unmittelbares Interesse daran hat, Rosneft wieder aufzubauen, ein Großunternehmen daraus zu machen. Gleichzeitig sind alle daran interessiert, Chodorkowski aus dem Verkehr zu ziehen.
Und alle, Mischa eingeschlossen, wollen mir weismachen, dass Putin seinem Freund Roman nichts von dem Plan erzählt hat, der am Ende trotz allem Chodorkowskis Verhaftung beinhaltete. An dieser Stelle wird das Ganze für mich unglaubwürdig, verstehst du? Ich glaube nicht an solche Konstruktionen – das sind Leute, die sich nahestehen, die durch gegenseitige Verpflichtungen, Informationen und Geschäfte aneinander gebunden sind. Es ist doch klar, dass Roman vieles wusste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er ausgerechnet über das Spiel Putin-Setschin nicht Bescheid wusste. Ich glaube es einfach nicht. Ich unterstelle sogar, dass nicht nur Roman um dieses Spiel wusste. Zu diesem Zeitpunkt stand auch Woloschin Putin noch sehr nahe. Und zu Roman hatte Putin geradezu ein partnerschaftliches Verhältnis. Das wäre ja genauso, als hätten Mischa und ich uns irgendein Ding ausgedacht, und Mischa würde parallel in eine andere Richtung arbeiten, ohne mir etwas davon zu sagen. Irgendwann käme es zum Eklat, von wegen, für wen hältst du mich eigentlich? Und das war’s: So etwas vergisst man nicht, das Vertrauen ist für immer verloren. War ein solches Szenario zwischen Putin und Roman denkbar? Ich glaube nicht.
Und noch etwas: Wenn Abramowitsch ernsthaft etwas für Chodorkowskis Freilassung hätte tun wollen, hätte er auch Argumente gefunden. Die Frage war eben, will ich mein Potenzial für Chodorkowski einsetzen oder nicht? Er wollte es nicht. Außerdem: Von dem Moment an, als Pitschugin und dann Lebedew verhaftet wurden, bis zu Chodorkowskis Verhaftung hätte Roman die Situation noch retten können, weil er in der Lage gewesen wäre, Mischa den Ernst der Lage auseinanderzusetzen – sie steckten schließlich immer noch in der Fusion. Chodorkowski hätte ihn angehört. Er hätte ihm geglaubt, weil es nicht seine eigenen Leute waren: nicht ich, nicht Kondaurow, und auch nicht ein bestimmter anderer Oligarch, dessen Namen ich hier nicht nennen will, der ihn gewarnt hatte. Roman war ein Mensch, der wirklich von der anderen Seite kam. Wie sollte ich ihm da glauben?«
»Einen Großteil der Last trug Chodorkowski«
Mit Woloschin, Abramowitsch, Surkow und Kassjanow stand Chodorkowski bis zu seiner Verhaftung im
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