Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
als unverwundbarer Herr der Schöpfung gefühlt habe, dem alles erlaubt sei. Eben das sei sein Fehler gewesen. Chodorkowski weist das zurück:
Michail Chodorkowski: » Unverwundbar? Nach der Sache mit Gussinski? Und nach Platon? Lächerlich. Ich habe eher noch überlegt, ob sie mich nicht umbringen würden, kam aber zu dem Schluss, dass sie das nicht tun würden.«
Wladimir Dubow, Yukos-Gesellschafter, ehemaliger Duma-Abgeordneter: » Ich war in Moskau. Zunächst rief mich unsere Fahrdienstleiterin an, die für die Route des von Chodorkowski gecharterten Flugzeugs verantwortlich war. Sie sagte, unser Flugzeug sei in Nowosibirsk auf eine Reservelandebahn gezwungen worden. Dann rief der Direktor der Fluggesellschaft an, bei der wir das Flugzeug gechartert hatten. Dann rief noch einmal die Fahrdienstleiterin an und sagte, das Flugzeug sei von OMON-Einheiten abgeriegelt. Dann rief der Anwalt Anton Drel an: Chodorkowski war verhaftet.
Mischa und ich hatten uns am 19. Oktober in Korallowo gesehen, beim Jubiläum des von ihm gegründeten Lyzeums. Ich hatte Alexander Potschinok mitgebracht, der damals Minister für Arbeit und Sozialentwicklung war. Potschinok meinte, wer weiß, was ich für diesen Besuch morgen von Putin zu hören bekomme – aber er kam trotzdem. Damals war die allgemeine Angst noch nicht so groß. Mischa und ich sprachen über eine mögliche Ausreise seines persönlichen Assistenten. Chodorkowski fand nicht, dass er unbedingt weg musste. Wir wussten bereits, dass der Junge abgehört wurde, und er hatte Angst. Am Ende stimmte Chodorkowski aber zu, und sein Assistent flog nach Zypern und von dort weiter nach London.
Mir scheint, dass wir alle in dieser ganzen Zeit bis zur Verhaftung noch hofften, die Sache würde glimpflich ausgehen. Von innen betrachtet, sah die Lage gar nicht so hoffnungslos aus: Minister und Beamte sprachen mit uns, Gouverneure empfingen uns freundlich. Allerdings erhielten wir zwei Tage vor der Verhaftung auf Umwegen eine Nachricht von Wladislaw Surkow (damals Stellvertretender Leiter der Präsidialadministration), wonach den Gouverneuren jeder Kontakt mit uns untersagt worden war. Andererseits kam nur wenige Tage vor Beginn dieser letzten Reise Woloschin bei Chodorkowski vorbei, und die beiden trennten sich wohl durchaus optimistisch.
Am 20. Oktober flogen wir zusammen nach Mordowien. Von dort aus flog er weiter. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er eine Verhaftung für unausweichlich hielt. Ich weiß noch, dass ich ihn damals fragte, wie unsere Chancen für eine positive Lösung dieser ganzen Situation stünden. Er antwortete: ›15 Prozent. Und wenn wir wie verrückt arbeiten, doppelt so hoch.‹ Er erinnerte an die russische Geschichte: Ja, den Nowgorodern sei es tatsächlich gelungen, ihren Fürsten zu vertreiben, in allen anderen Fällen habe der Staat gesiegt. 20
Als er diese letzte Reise antrat, war klar, dass das ein gefährliches Spiel war. Aber wir waren gewohnt, ihm zu vertrauen, und er sagte, es müsse sein. Entweder glaubte er selbst nicht, dass alles so ablaufen würde, oder er ahnte es, wollte aber niemandem Angst machen. Überhaupt erörterte Chodorkowski die Lage ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr in größerer Runde, jeder hatte seinen Arbeitsbereich, und allgemeines Gerede wurde nicht gern gesehen. Vielleicht war ich deshalb auf die weitere Entwicklung, also auf seine Verhaftung, nicht ganz vorbereitet.
Am Tag nach der Verhaftung traf ich Roman Abramowitsch, den Inhaber von Sibneft. Er war gerade aus London eingetroffen. Ich fuhr zu ihm. Ich wollte wissen, wie sie bei Sibneft die Lage einschätzten, was das alles sollte und was sie jetzt vorhätten. Ich möchte daran erinnern, dass wir zu diesem Zeitpunkt praktisch schon ein Unternehmen waren und gemeinsame Interessen hatten. Wir verhandelten gemeinsam über eine Fusion mit Chevron. Ich kam überhaupt nicht auf den Gedanken, dass Abramowitsch vielleicht ein doppeltes Spiel spielen könnte. Zumal der Vertrag mit Sibneft bei Vertragsbruch eine Konventionalstrafe von einer Milliarde Dollar vorsah. Das ist kein Pappenstiel.
Auch Ljoscha Wenediktow 21 erschien damals bei Abramowitsch. Er berichtete, was los war. Ich war erstaunt: Es war, als lege er einem Vorgesetzten Rechenschaft ab. Danach sprachen wir unter vier Augen. Abramowitsch sagte: ›Ich fahre in den Kreml. Ich kläre das.‹ Damit ist er offenbar heute noch nicht fertig.«
Logischerweise konnte man nach der Verhaftung mit einer Hausdurchsuchung
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