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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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Nachteil. Manchmal sollte man eben doch nachdenken.
    Vom Gesetz rede ich gar nicht: die Eigenständigkeit des Ermittlers, das eigene Gewissen, dem der Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft verpflichtet sein soll … Wenn ein Befehl vorliegt, ist das alles leeres Geschwätz. Dabei kann er im normalen Leben durchaus ein wunderbarer Mensch sein, wie der sowjetische Spion Stierlitz über seine Kollegen von der Gestapo zu sagen pflegte.« 24
    Andrej Rasnowski, Richter am Moskauer Stadtteilgericht Basmanny und früher Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, hatte Chodorkowskis Verhaftung abgesegnet. Später wurde er befördert und zum Richter am Moskauer Stadtgericht ernannt. Bei Gericht wurde die Anklage von Staatsanwalt Waleri Lachtin vorgetragen, der auch schon im Fall Platon Lebedews dessen Verhaftung gefordert hatte.
    Chodorkowski hörte sich Rasnowskis Beschluss an, nahm seinen Ehering und seine Uhr ab, übergab beides Drel, sagte »Macht nichts, auch so eine experience ist nützlich« und trat den Weg ins Gefängnis an.
    Niemals später hat Chodorkowski wieder darum gebeten, ihm so seltsame Dinge ins Gefängnis zu schicken, wie bei diesem ersten Mal. Irgendwer hatte ihm beigebracht, eventuelle Notizen müsse man auf Zigarettenpapier schreiben, weil man sich daraus, falls man gefilzt würde, eine Zigarette drehen und sie aufrauchen könnte. Vielleicht hatte er auch nur – wie jeder von uns – in Büchern darüber gelesen, wie man Botschaften aus der Zelle mit Milch auf Papier schrieb und ähnliche Gefängnislegenden, von denen unsere Literatur seit der Revolution so voll ist. Außerdem fürchtete er, man könnte psychotrope Mittel bei ihm anwenden, deshalb versuchte er, die ersten paar Wochen möglichst nicht zu essen, und trank nur Wasser …
    Anton Drel sagt, er habe sich im Großen und Ganzen keine Sorgen darum gemacht, wie die Zellengenossen Chodorkowski aufnehmen würden: »Seine Reizschwelle ist äußerst hoch, nahezu unerreichbar – und er kann mit jedem Menschen sprechen und eine gemeinsame Sprache finden.«
    Michail Chodorkowski: » Im Gefängnis kam ich in eine große Zelle, in der ich anfangs allerdings allein war, erst später wurden noch ein paar Leute dorthin verlegt. Sie organisierten sich gleich ihre ›Lieferwege‹, über die die Post, Wodka, Lebensmittel und Zigaretten liefen. Ich traf einige Bekannte wieder, einer davon saß in der Zelle gegenüber. Ich war frappiert, wie viele Leute, die ich aus den Augen verloren hatte, nicht etwa emigriert waren, sondern in Wahrheit im Gefängnis saßen.
    Nervös war ich überhaupt nicht. Essen, Trinken und Briefeschreiben verweigerte ich von Anfang an. Ich trank nur Leitungswasser, und zwar so lange, bis ich mich einigermaßen in der Situation zurechtgefunden hatte – drei Wochen lang.
    Es ist sehr nützlich, wenn man weiß, wie man sich bei einer Verhaftung oder Geiselnahme zu verhalten hat. Ich empfehle allen, die sich in Russland unternehmerisch, politisch oder gesellschaftlich betätigen, sich dieses Wissen anzueignen. Wichtig ist, die Dinge zu nehmen, wie sie sind; wichtig ist, sich in der völlig neuen Lage zurechtzufinden; wichtig ist, an Informationen zu kommen und sie zueinander in Beziehung zu setzen; wichtig ist, sich nicht mit Hoffnungen auf eine schnelle Entlassung zu quälen und sich nicht den Kopf zu zerbrechen über das, was man in der Freiheit nicht mehr erledigen konnte. Wichtig ist, nur das zu sagen, was man in seinem eigenen Interesse sagen will – und nichts darüber hinaus. Die mögliche Wirkung der eigenen Worte einzuschätzen, ist unmittelbar nach einer Verhaftung keine leichte Aufgabe.
    Was sie mir damals von zu Hause mitbringen sollten, weiß ich nicht mehr. Bücher, Hefte und Stifte hatte ich aber schon bald. Auf alles andere kann ich verzichten, das fällt mir nicht schwer.«
    16 Wladimir Putin wsjal ostroje interwju u oligarchow [ Wladimir Putins scharfes Interview mit den Oligarchen ] , Kommersant, 20. 2. 2003.
    17 Nowaja gaseta, 49/2008.
    18 Abteilung eines Unternehmens, die unter anderem die Glaubwürdigkeit von Informationen Dritter zu prüfen, Risiken hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit von potenziellen Geschäftspartnern abzuschätzen und die Mitarbeiter einschließlich des Managements zu kontrollieren hat, insbesondere in Bezug auf Handlungen, die dem Unternehmen möglicherweise schaden können. Dies gilt vor allem für die Abteilung Finanzen, den Einkauf, die Buchhaltung und andere Bereiche, die unmittelbar mit dem

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