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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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etwa zehn Muskelprotzen. Wir führten ein höfliches Gespräch und vereinbarten, uns bei Bedarf anzurufen. Meiner Meinung nach hatten sie selbst noch nicht entschieden, was sie mit uns anstellen sollten. Bei uns im Verteidigungssektor hatte es eine eiserne Regel gegeben: Unmittelbar nach einem solchen Treffen (egal ob mit Spionen, Verbrechern oder sonstigem dubiosen Publikum) ging ein Dienstvermerk an die zuständige Stelle (in unserem Fall die Stadtbezirksabteilung des KGB ).
    Das war’s, weitere Treffen gab es nicht. Ich habe nicht einmal irgendwen konkret um etwas gebeten. Um einiges später schlossen wir dann mit Wladimir Ruschailo einen offiziellen Vertrag 39 – seine Dienststelle war damals noch im Aufbau begriffen. Ein paar Mal, wenn wir von Banditen behelligt wurden, rückten Ruschailos Leute aus, und es gab Festnahmen. Einmal, erinnere ich mich, wurden wir im Hotel Belgrad von Tschetschenen 40 attackiert, zehn Leute wurden verhaftet. Wahrscheinlich gab es noch weitere Vorfälle, aber ohne, dass ich daran beteiligt gewesen wäre.
    Als dann der russische Dienst für Staatssicherheit FSK – der spätere FSB – entstand, wurde mir regelmäßig ein Vertreter der Dienste zum Kennenlernen in die Firma geschickt. Es ist schon komisch, aber Sergej Murawlenkos Stellvertreter im Yukos-Direktorium war der erste Chef des russischen KGB gewesen, Wiktor Iwanenko. 41 Er hat übrigens auch vor Gericht ausgesagt. Sie hatten irgendwelche von unseren Verträgen in ihrer Abteilung kontrolliert, mit dem Verteidigungsministerium zum Beispiel. Aber ich hielt mich in dieser Richtung inzwischen zurück. Ich hatte keine Lust, schon wieder einen »Zugang« am Hals zu haben. 42
    Ob es Risiken gab, Anschläge? Über Banditen habe ich mir nie ernsthaft Gedanken gemacht. Die waren dort, wo es kriminell zuging, wo die Leute Angst hatten, die Geheimdienste um Schutz zu bitten. Wovor sollte ich Angst haben? Besser den Ruschailo-Dienst nach Vertrag bezahlen, oder später unseren Leuten helfen, die nach Tschetschenien fuhren (oder verwundet von dort zurückkehrten), wie wir das in Tomsk gemacht haben, als irgendwelche Banditen um Protektion anzugehen.
    Es kam mehrmals vor, dass ich gewarnt wurde, die Situation sei »undurchsichtig«. Ich habe nie nachgefragt, um meine Nerven zu schonen. Einige Monate war ich mit Personenschutz unterwegs. Dann wurde er wieder abgezogen. Ein ernsthaftes Risiko bestand während der bewaffneten Konflikte 1991 und 1993. 43 Meine Freunde und ich waren ja mit dabei. Riskant war es auch in Inguschetien und Abchasien, aber dieses Risiko war auf Dienstreisen begrenzt. Ich machte mir keinen Kopf. Wer weniger weiß, schläft besser.
    Übrigens ist das eine interessante psychologische Besonderheit. Ich war ja nie sonderlich wagemutig. Weder in der Schule noch in der Hochschule war ich scharf auf Schlägereien. Wenn ich konnte, ging ich ihnen aus dem Weg. Gleichzeitig klettere ich gern ungesichert in Felswänden. In der Strafkolonie hat nachts einmal jemand mit einem Messer auf mich eingestochen – ich dachte, danach würde ich nicht mehr schlafen können. Aber in der nächsten Nacht legte ich mich auf dieselbe Matratze, von der das Blut noch nicht abgewaschen war, und schlief ein wie ein Säugling. Der Mensch ist ein seltsames Wesen.
    Wenn ich mir je wirklich Sorgen gemacht habe, dann um meine Angehörigen – nachdem in Forbes zu lesen war, dass ich reich bin. Aber wenn irgendwer über »Anschläge« Bescheid wusste, dann bestimmt nicht ich. Auf dieses Thema durfte mich keiner ansprechen.
    Eine Frage des guten Geschmacks
    In meinem Privatleben änderte sich durch die Ereignisse der späten 1980er Jahre nicht viel. Seit ich mich von meiner ersten Familie getrennt hatte, wohnte ich in Mietwohnungen. Zunächst in der Chaussee der Enthusiasten, später beim Pawelezker Bahnhof. Möblierte Zweizimmerwohnungen waren das, in denen zusätzlich noch die Möbel standen, die wir für das Büro einkauften. Meine Inna ist wirklich klasse. Ich bin ihr für diese Zeiten mehr als dankbar. Nicht nur herrschten bei uns chaotische Zustände, es war auch noch lebensgefährlich. Gar nicht einmal für mich, sondern für sie. Überhaupt ging vieles, was ich tat, von meiner Frau aus. Unser Verhältnis ist sehr fröhlich – ein ständiger Schlagabtausch zum beiderseitigen Vergnügen. Erst in den letzten zehn Jahren können wir überhaupt nicht mehr streiten, weil wir uns einfach zu nahe stehen. Wir haben zu viel Mitgefühl füreinander.
    In

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