Melodie des Südens
Schlammig braun, die Strömung eilte dahin. Genauso wie gestern, wie vorgestern, wie morgen. Miss Johnston hatte Zeit genug gehabt, um ihr Zimmer aufzusuchen, und er spazierte zurück zum Haus und suchte seinen Bruder. Er fand ihn in der Bibliothek, mit den Zeitungen beschäftigt.
»Ach, da bist du ja«, sagte er. »Wo ist Adam?«
»Mit seinem Aufseher unterwegs, vermute ich. Es heißt, sie suchen nach den Hunden. Aber ohne Hunde …« Yves grinste, während er weitersprach. »Ohne Hunde wird es wohl schwierig werden, sie zu finden.«
»Du warst das! Unglaublich, als Gast in diesem Haus!«
Yves griff wieder nach der Zeitung und versteckte sich dahinter. »Du weißt ja nicht, was du da redest«, sagte er
»Du bist mit meinem Pferd vor Sonnenaufgang unterwegs gewesen. Du hast überhaupt keinen Kater. Die Hunde haben deine kostbaren Sklaven bedroht. Nein, ich korrigiere mich, Mr Johnstons kostbare Sklaven.«
Yves blickte ihn an der Zeitung vorbei an. »Alles purer Zufall.«
»Du gibst es also zu. Yves, um Himmels willen, die Welt gehört doch nicht dir! Wann wirst du …«
»Marcel, bitte, nicht wieder die Wann-wirst-du-endlich-zur-Ruhe-kommen-Rede. Ich weiß schon, such dir ein nettes Mädchen, kauf ihr eine nette kleine Hütte, mach ihr ein oder zwei Kinder … Marcel, ich tue das alles nicht, weil ich mich langweile oder weil ich unter Mangel an weiblicher Gesellschaft leide.«
»Natürlich nicht. Aber ich sage dir, Lucinda und der Kleine haben mich zu einem zufriedenen, fröhlichen Menschen gemacht. Wenn du eine Frau hättest, Yves …«
»Wenn deine Geliebte dich glücklich macht, Marcel, sei dir das von Herzen gegönnt, aber ich brauche weder eine Ehefrau noch eine Geliebte.«
Sie hörten Schritte in der Diele, und kurz darauf betrat Adam den Salon, zerzaust und angespannt. »Ist es denn zu glauben? Der Junge, der die Hunde bewacht, hat absolut nichts gehört und auch nichts gesehen. Er schwört, es muss Voodoozauber im Spiel gewesen sein.«
»Der Junge wird doch keine Schwierigkeiten deshalb bekommen?«, fragte Yves. Die ganze Zeit machte er sich schon Sorgen, dass der Junge geschlagen werden würde.
»Der Junge?« Adam sah ihn verwirrt an. »Ach was, der ist doch noch ein Kind.«
Yves atmete auf. Dann musste er sich wegen seines nächtlichen Tuns keine Vorwürfe machen.
»Eine wertvolle Hundemeute … der Dieb oder die Diebe müssen längst über alle Berge sein«, sagte Marcel.
»Nun, die Spuren führen zum Fluss. Ich bin nur kurz hereingekommen, um meinen Hut zu holen, wir werden die Spuren so weit verfolgen, wie es uns möglich ist. McNaught ist natürlich außer sich. Vor der Nase weg habe man ihm die Hunde gestohlen, sagt er – allerdings ist er ja erst heute früh wiedergekommen.« Adam sah regelrecht ängstlich aus, dachte Yves. »Unglaublich.«
»Soll ich mitkommen?«, fragte Marcel.
Adam schien versucht, das Angebot anzunehmen, lehnte es aber schließlich doch ab. »Ich bin ziemlich sicher, dass wir genau bis zum Fluss kommen und dass die Spuren dort aufhören. Vermutlich haben die Diebe ein Boot bereitgehalten. Jedenfalls würde ich es so machen, wenn ich die Hunde loswerden wollte.«
Und das wäre deine verdammte Pflicht gewesen, dachte Yves.
9
Am nächsten Morgen machte Marianne sich fürs Frühstück fertig. »Für das Korsett ist es heute wirklich zu heiß«, beschwerte sie sich.
»Papperlapapp«, bestimmte Hannah. »Wir haben Herren im Haus, und Ihre Mutter hätte sich in Grund und Boden geschämt, wenn sie Sie ohne Reifrock herumlaufen gesehen hätte.«
»Meine Mama hat im Leben keinen Reifrock getragen«, gab Marianne zurück, dachte dann aber daran, wie viel wärmer die sechs Unterröcke ihrer Mutter wohl gewesen waren. Viel wärmer als ein Reifrock und zwei Unterröcke.
Sie ächzte. »Das ist zu fest!« Aber Hannah blieb ihren Pflichten treu.
Anständig gekleidet in einem rot und blau karierten Baumwollkleid mit Jet-Knöpfen bis zur Taille, Pagodenärmeln und einem gekräuselten Rock über dem Reifrock, schritt Marianne die große Treppe zur Diele hinunter und betrat das Frühstückszimmer. Marcel erhob sich, und als Adam sie bemerkte, stand er ebenfalls auf.
»Guten Morgen, Miss Johnston«, sagte Marcel. Die korrekt gebundene Krawatte über seiner Weste und dem dunkelgrünen Jackett war blütenweiß. Er war frisch rasiert – Marianne bevorzugte eindeutig bartlose Gesichter –, und seine Zähne blitzten.
Was für ein reizendes Lächeln er doch hatte, dachte sie.
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