Menschen und Maechte
Aber das konnten wir 1975 und 1976 noch nicht wissen.
Wie ich bereits schrieb, gab es ein wichtiges deutsch-amerikanisches Problem, das ich zusammen mit Ford zu lösen hatte. Ich war schon lange der Meinung gewesen, mit den immer wieder erneuerten mittelfristigen Offset-Abkommen über deutsche Finanzbeiträge für die amerikanischen Truppen in Deutschland müsse es ein Ende haben. Diese Zahlungen hatten, wie gesagt, nur die Deutschen zu leisten, obgleich die amerikanischen Truppenstationierungen in anderen europäischen Ländern den amerikanischen Haushalt und, da sie weitgehend in der jeweiligen Landeswährung anfielen, die amerikanische Zahlungsbilanz ebenfalls belasteten. Sosehr ich für den ökonomischen Zusammenhang Verständnis hatte, so wenig erschien es mir akzeptabel, daß die Deutschen die einzigen waren, die zu zahlen hatten, und daß dadurch der Eindruck einer moralischen Verpflichtung entstanden war. Schließlich standen die amerikanischen Truppen auch im Interesse der anderen europäischen Staaten auf deutschem Boden – und außerdem und zuallererst im amerikanischen Interesse. Weder Paris noch Brüssel, Den Haag oder Ottawa erhoben derartige Forderungen, obschon sie ebenfalls Truppenkontingente auf deutschem Boden stationiert haben.
Ich war immer ein Gegner jedweder Sonderbehandlung Deutschlands im Rahmen des westlichen Bündnisses: eine Sonderbehandlung allein durch die USA kam für mich erst recht nicht in
Frage. Es durfte sich auch nicht unterschwellig die Vorstellung eines amerikanisch-deutschen Vasallenverhältnisses einnisten, weder jenseits des Atlantik noch diesseits. Deshalb vor allem – und nicht so sehr aus finanziellen Gründen – wollte ich die deutschen Zahlungen in Milliardenhöhe beenden, die jahrzehntelang geleistet worden waren. Auch für die USA waren es nicht vornehmlich haushalts- oder zahlungsbilanzpolitische Gründe, sondern psychologisch-politische Motive, derentwegen sie an den deutschen Sonderzahlungen festhielten. Dies war mir klar. Die Tatsache, daß dieses Problem ein Jahrzehnt zuvor zum Sargnagel für die Kanzlerschaft Ludwig Erhards geworden war, war für mich eine beredte Mahnung, vorsichtig vorzugehen.
Der gesunde Menschenverstand Gerald Fords und ebenso die Gewißheit seiner Minister, sich auf die Bündnisgenossenschaft Deutschlands verlassen zu können – und auf unsere Überzeugung, aus der eigenen Interessenlage heraus am Bündnis mit den USA festzuhalten –, erleichterten die Verhandlungen. Als wir endlich im Juli 1976 durch einen Briefwechsel die Kuh vom Eise brachten, hatten sowohl wir selbst als auch unsere Außenminister das Problem mehrere Male durchgesprochen, ohne daß es öffentliches Aufsehen erregt hätte. Die entscheidenden Sätze des zwischen Ford und mir persönlich verabredeten Textes meines Briefes an ihn vom 29. Juli 1976 lauteten:
»… möchte ich unser Einvernehmen darüber feststellen, daß der herkömmliche Zahlungsbilanzausgleich gegenstandslos geworden ist. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die militärischen Beschaffungskäufe durch die … Bundesrepublik Deutschland in den Vereinigten Staaten von Amerika … wie in der Vergangenheit fortgeführt werden. Die Bundesregierung begrüßt die Absicht der amerikanischen Regierung, eine Kampfbrigade nach Norddeutschland zu verlegen. Sie mißt diesem Vorhaben eine besondere Bedeutung für die Stärkung der Verteidigungskraft der Allianz bei und ist in diesem außergewöhnlichen Falle bereit, mit einer einmaligen Zahlung bis zu 171,2 Millionen DM zu den Kosten der militärischen Unterbringung der Brigade beizutragen. Die Bundesregierung legt allerdings Wert auf die Feststellung, daß dieser
besondere einmalige Kostenbeitrag keine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Zahlung von Stationierungskosten begründet.«
Die Stationierung einer zusätzlichen amerikanischen Brigade in Schwanewede bei Bremen bot also den Anlaß für eine einmalige Abschlußzahlung, deren geringes Ausmaß finanzwirtschaftlich nicht ins Gewicht fiel und die den Amerikanern erlaubte, das Gesicht zu wahren. Der Wunsch, diese Brigade aus den USA nach Norddeutschland zu verlegen, ging vor allem auf die beiden Verteidigungsminister Georg Leber und James Schlesinger zurück. Offenbar hatte Schlesinger dabei nicht von vornherein die Zustimmung Fords gehabt, der sich wohl ein wenig unter Druck gesetzt fühlte. Ich glaubte bei Ford im übrigen mehrfach Verstimmungen über Schlesinger zu spüren; im
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