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Menschen und Maechte

Menschen und Maechte

Titel: Menschen und Maechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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Präsident ging mit einem Halbsatz freundlich darüber hinweg, hörte sich aber sorgfältig meine Auffassung zur Sache an; einige Tage darauf einigte er sich mit der Stadt New York.
    Als Ford die Primärwahlen gegen Ronald Reagan knapp gewonnen hatte, war ich froh; denn Reagan kannte ich nicht, und Ford schätzte ich sehr. Als er im November 1976 dann die Präsidentschaftswahlen gegen Jimmy Carter, den ich gleichfalls nicht näher kannte, verlor, war ich besorgt. Ford und ich hatten sehr eng zusammengearbeitet, ebenso unsere Außenminister Genscher und Kissinger; die Zusammenarbeit war weit über den Bereich der Allianz und über die Gesamtstrategie gegenüber Moskau hinausgegangen. Wir hatten die gleichen Auffassungen über die künftige Rolle der Volksrepublik China, über die wichtige Rolle Anwar as Sadats, über den Nahen und Mittleren Osten insgesamt, über die Rolle der OPEC, über die Lage der Entwicklungsländer und die hier notwendigen Hilfsmöglichkeiten, über die Wirtschaftskrise – und wir hatten uns auf diesen Feldern gegenseitig geholfen. Ich war dem scheidenden Präsidenten der Weltmacht USA zutiefst dankbar. In einem langen Abschiedsbrief schrieb ich ihm am 23. November 1976:
    »… Sie haben die Integrität der Präsidentschaft und des Weißen Hauses und damit zugleich das Vertrauen von Hunderten Millionen
Menschen – Amerikanern ebenso wie Ausländern – in die Vereinigten Staaten wiederhergestellt … Ich glaube, kein anderer Bundeskanzler hat sich einem amerikanischen Präsidenten gegenüber jemals so frei gefühlt, auf solch freundschaftlichem Fuße und so zuverlässig eingebettet in das Gefühl der Freundschaft … Einer der Gründe für den Erfolg unserer Bundesregierung in den Bundestagswahlen vom 3. Oktober 1976 war gewiß das Bewußtsein der deutschen Wähler von den ausgezeichneten Beziehungen zwischen den USA und meinem Lande, die wir zumeist Ihnen verdanken … Ich weiß, daß ich für Sie nicht immer ein einfacher Partner gewesen bin – aber wie hätte es auch anders sein können, da doch jeder Regierungschef das vertreten und schützen muß, was er als die Interessen seines eigenen Landes ansieht …«
    Natürlich bedankten meine Frau und ich uns auch bei Betty Ford, die wir sehr schätzengelernt haben. In meinem Brief an den Präsidenten erwähnte ich ausdrücklich die große Hilfe durch Henry Kissinger und durch Fords Finanzminister Bill Simon und betonte schließlich, welche Rolle unsere ausgezeichneten persönlichen Beziehungen gespielt hatten. Gerald Ford dankte in sehr warmen Worten für meinen Brief, und wir haben uns gegenseitig versichert, die persönliche Freundschaft weiterhin zu pflegen. In der Tat haben wir diese gute Beziehung zu meiner großen Befriedigung und Bereicherung bis zum heutigen Tag fortgesetzt.
    Mein Abschiedsbrief an Kissinger und dessen Antwort hatten ähnlichen Charakter. Als Kissinger sein Amt an seinen Nachfolger Cyrus Vance übergab, lag der Beginn unserer Bekanntschaft bereits zwei Jahrzehnte zurück. Ich hatte Henry Kissinger Mitte der fünfziger Jahre kennengelernt, als er durch ein intelligentes Buch über nukleare Kriegführung international bekannt wurde. Ich war mit der Tendenz des Buches keineswegs einverstanden gewesen, hatte ihm aber viele Anregungen zu verdanken. Als ich 1960 daranging, in einem eigenen Buch die in der Bundesrepublik damals fast unbekannte englische und amerikanische militärstrategische Literatur der fünfziger Jahre zusammenfassend darzustellen und sie mit der deutschen Interessenlage zu vergleichen, um daraus alternative Gedanken zu entwickeln, hatte ich von Kissinger mancherlei Hilfe erfahren. Das galt auch für die späteren Jahre, als er längst Sicherheitsberater und danach Außenminister geworden war. Ich glaube, mitunter habe auch ich ihm hilfreich sein können.

    Abb 25 Gute Freunde: Ein außergewöhnliches Maß an gegenseitigem Vertrauen kennzeichnet bis heute Schmidts Verhältnis zu Henry Kissinger (oben, die Aufnahme entstand beim Besuch der Fußballweltmeisterschaft im Juli 1974 in München).
    Abb 32 Unten: An George Shultz fasziniert Schmidt vor allem die intellektuelle und politische Unbestechlichkeit. Shultz war damals Finanzminister unter Nixon.

    Kissinger hat konzeptionell wie auch als Operateur die Gesamtstrategie seines Landes immer als Einheit gesehen. Seine moralischen Grundwerte waren typisch amerikanischer Natur; aber er war viel zu rational, um Amerikas Macht als Büttel der moralischen

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