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Menschen und Maechte

Menschen und Maechte

Titel: Menschen und Maechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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Burns – und ihrem von Helen sehr verwöhnten Yorkshire-Terrier Hansi – in ihrem Sommerhaus in Vermont zugebracht; ein altes, winziges Farmhaus aus Holz, in dessen Stall der Botschafter sich ein primitives Maleratelier und einen Platz für Handwerksarbeiten eingerichtet hatte. In einer Bretterhütte im Wald gab es einen zweiten Arbeitsplatz zum Schreiben, ohne Wasser, ohne Licht und natürlich ohne Telefon. Dort haben wir über Gott und die Welt, über Amerika und Deutschland, über Christentum und Judentum philosophiert – wie schon oft in Bonn, wenn wir bis spät in die Nacht zusammensaßen.
    Im Juli 1972 lag das alles noch in weiter Ferne. Ich wußte lediglich von meinem Freund Karl Klasen, der damals Präsident der Deutschen Bundesbank war, daß er seinen amerikanischen Zentralbankkollegen Burns sehr schätzte. Es war die Zeit der ersten großen Dollarkrise, in der beide Männer fast wöchentlich, manchmal täglich, miteinander zu tun hatten. Denn das 1944/45 in Bretton Woods geschaffene weltweite System fester Wechselkurse lag im argen, weil der Dollar auf den internationalen Märkten stetig an Wert verlor. Dies war eine weder in den Lehrbüchern noch in den Überzeugungen der Zentralbanken und des Weltwährungsfonds vorgesehene Situation.
    Es gab, so fand ich bald heraus, unter den Verantwortlichen auf beiden Seiten des Atlantik eigentlich niemanden, der ein Lösungskonzept und zugleich die zu seiner Verwirklichung notwendige Autorität gehabt hätte. Der Sommer 1972 war währungspolitisch relativ ruhig – aus der Rückschau war es die Ruhe vor dem Sturm. Ich selbst beschränkte mich im Juli 1972 in Washington darauf, meinen neuen amerikanischen Gesprächspartnern Shultz und Burns Fragen zu stellen. Natürlich kannte ich die deutsche Sicht des Problems aus den Vorträgen meiner Kabinettskollegen Alex Möller und Karl Schiller, die vor mir Finanzminister gewesen waren, und aus den Diskussionen über die richtige Rolle der DM in diesem Chaos und über unsere währungspolitische Taktik, die wir unter Brandts Vorsitz im Kabinett häufig genug führten. Daher konnte ich mir erlauben, neben Fragen die eine oder andere sachliche Bemerkung in das Gespräch mit Shultz und Burns einzuwerfen. Ich war und bin noch heute prinzipiell ein Anhänger fester Wechselkurse, weil sie der internationalen Arbeitsteilung, also dem freien Welthandel, am besten dienen, und damit zugleich allen beteiligten Volkswirtschaften. So brachte ich die entsprechenden Argumente vor. Ich werde nie vergessen, wie Arthur daraufhin meinte: »Was Sie da sagen, junger Mann, ist sehr vernünftig (Your talk makes a lot of sense, young man).« Junger Mann? Immerhin war ich 53 Jahre alt – dennoch fühlte ich mich geschmeichelt.

    Abb 37 Alte Freunde: Zu den Amerikanern, deren Rat und Urteil Gewicht hatten, zählte für Helmut Schmidt der 1987 verstorbene Arthur Burns (oben).
    Ähnliches gilt für John McCloy (unten), den ehema-ligen amerikanischen Hohen Kommissar in Deutschland.

    Was waren die Gründe für die Krise? Das Bretton-Woods-System beruhte auf dem US-Dollar; dieser war praktisch das Metermaß für alle anderen Währungen. Der Dollar seinerseits war identifiziert mit dem Wert des Goldes; eine Unze Gold war 35 Dollar wert. Jede ausländische Zentralbank konnte zu diesem Preis Gold von den USA kaufen; umgekehrt konnten auch die USA für Gold Dollars oder jede andere Währung kaufen, die sie gerade benötigten. Dabei galten zum Beispiel im Herbst 1969 DM 4,00 soviel wie ein Dollar (Parität), oder anders ausgedrückt: DM 140,00 galten soviel wie eine Unze Gold.
    Wenn nun ein Land Dollars benötigte, zum Beispiel, um ein Defizit in seiner Handelsbilanz zu bezahlen, so konnte es sich zwar die Dollars zunächst leihen, am Ende mußte es diese aber bei der US-amerikanischen Zentralbank in Gold bezahlen. Hatte ein Land dagegen Handelsbilanzüberschüsse (genauer: Leistungsbilanzüberschüsse), so sammelten sich bei seiner Zentralbank Guthaben in den Währungen der Partnerstaaten (sogenannte Devisen) oder aber in Gold; beides zusammen bildet die sogenannten Währungsreserven.

    Lange bevor eine Zentralbank ihre eigene Währung oder ihr Gold hergibt, müssen die Waren- oder Leistungsimporteure ihre Rechnungen bezahlen. Zu diesem Zweck kaufen sie am Devisenmarkt die fremde Währung, in der sie zu zahlen haben, damals weit überwiegend Dollars, und zwar mit dem Geld ihres eigenen Landes. Auf diese Weise werden der Dollar oder die anderen benötigten

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