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Menschen und Maechte

Menschen und Maechte

Titel: Menschen und Maechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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Devisen am Markte knapper und teurer, das heißt, der eigene Wechselkurs verschlechtert sich. Umgekehrt verbessert sich der eigene Wechselkurs, wenn die Exporteure ihre in fremder Währung verdienten Erlöse auf dem Devisenmarkt in eigene Währung umtauschen; denn dieser Vorgang führt zu vermehrter Nachfrage nach eigener Währung und zu vermehrtem Angebot der fremden Währung. Deswegen lösen nachhaltige Exportüberschüsse einen Wechselkursanstieg, Exportdefizite einen Wechselkursabfall der eigenen Währung aus.
    Das Bretton-Woods-System hatte für diesen Fall vorgesorgt: Es erlaubte einen Wechselkursanstieg oder -abfall bis zu einem Prozent der Dollarparität jeder Währung. Wenn die Grenze nach oben oder unten erreicht wurde, hatte die betreffende Zentralbank einzuschreiten, zu »intervenieren«, das heißt, sie mußte spätestens bei Erreichen der unteren Grenze aus ihren Devisenreserven soviel an fremder Währung verkaufen und damit zugleich eigene Währung aus dem Markt herausnehmen, daß die Grenze nicht unterschritten wurde. Umgekehrt mußte sie bei Erreichen der oberen Grenze eigene Währung verkaufen, um damit fremde Währung hereinzunehmen. Praktisch waren die »fremden Währungen« fast ausschließlich US-Dollars. Der Dollar war nämlich nicht nur der Paritätsmaßstab für alle beteiligten Währungen, sondern zugleich auch die entscheidende Interventions- und Reservewährung; er war darüber hinaus die im internationalen Handel weit überwiegend benutzte »Transaktionswährung«, das heißt, die meisten internationalen Rechnungen wurden in Dollars ausgestellt und bezahlt.
    Wenn ein Defizit-Land seine Kreditmöglichkeiten ausgeschöpft hatte oder wenn es um den Restbestand seiner Währungsreserven fürchtete, konnte es bei den Organen des Weltwährungsfonds eine Abwertung der eigenen Parität beantragen, die Dollarparität der
eigenen Währung wurde also gesenkt. Dies befreite das entsprechende Land fürs erste von der Last der Intervention und führte gleichzeitig sowohl zu einer künstlichen Verbilligung der eigenen Exporte als auch zu einer Verteuerung der eigenen Importe; es bestand also die Hoffnung auf einen besseren Ausgleich der Zahlungsbilanz und damit auf Einhaltung der neuen Parität.
    Weder Abwertungen noch Aufwertungen sind im eigenen Lande populär; denn der Anstieg der Importpreise führt zu einem inländischen Preisanstieg und damit zu inflatorischen Wirkungen; der Anstieg der Exportpreise dagegen läßt die Industrie und die Gewerkschaften um die ausländischen Absatzmärkte und um die Beschäftigung fürchten. Das Bretton-Woods-System trug dieser Unpopularität, welche die betreffende Regierung Prestige bei den Wählern kosten konnte, nicht nur Rechnung, sondern der Weltwährungsfonds gab auch Ratschläge zur Vermeidung: Er riet den abwertungsverdächtigen Staaten zu einer Verringerung ihrer Haushaltsdefizite und ihrer Geldversorgung. Mit anderen Worten: Zahlungsbilanzschwache Staaten wurden angehalten, ihre hausgemachte Inflation zu drosseln.
    Genau dies aber hatten die USA nicht getan; der Vietnamkrieg hatte den Haushalt weit überfordert, das Defizit wurde aus dem amerikanischen Kapitalmarkt mit Hilfe großzügiger Geldversorgung finanziert. Dadurch stiegen die Preise in den USA, der Dollar verlor an Kaufkraft, die Handelsdefizite wurden chronisch, der Dollar stieß an die untere Interventionsgrenze. Von 1968 an waren wir in Bonn über diese Entwicklung sehr beunruhigt. Die deutsche Bundesbank verzichtete unter amerikanischem Druck als erste darauf, daß die USA ihre Zahlungssalden in Gold beglichen, und nahm statt dessen verzinsliche Papiere des amerikanischen Schatzamtes. Ende 1969 werteten wir das erste Mal die DM gegenüber dem Dollar auf. Im August 1971 folgte Nixons Aufhebung der Goldkonvertibilität gegenüber dem Rest der Welt; im gleichen Jahr kam es zur zweiten formellen Aufwertung der DM gegenüber dem Dollar.
    Dies alles war ohne durchschlagenden Erfolg geblieben. Wohl aber führten die ständigen DM-Interventionen zu unerwünscht
hoher Geldversorgung in Deutschland, und infolgedessen kam es auch bei uns zu inflatorischen Prozessen.
    Das Drama hatte viele Akte, die ich hier nicht schildern will. Zu den indirekten Folgen gehörte das Ausscheiden zweier deutscher Finanzminister aus dem Amte, meines Freundes Alex Möller im Mai 1971 und seines Nachfolgers Karl Schiller (als Doppelminister für Finanzen und Wirtschaft) Anfang Juli 1972. Jetzt stand ich als Finanzminister vor

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