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Menschen und Maechte

Menschen und Maechte

Titel: Menschen und Maechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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dem gleichen Problem. Ich begriff, daß Shultz und Burns im Grunde ähnlich dachten wie Karl Klasen und ich. Alle vier waren wir überzeugte Marktwirtschaftler und leidenschaftliche Anhänger eines freien Welthandels; zugleich waren wir überzeugt davon, daß feste Wechselkurse für beides zwar keine notwendige, jedenfalls aber die beste Voraussetzung waren.
    Meine beiden Gesprächspartner wußten jedoch, daß Nixon seine Wirtschaftspolitik nicht ändern wollte und nicht ändern würde; schließlich war es ein Präsidentschaftswahljahr. Zwar summte es in Washington an allen Ecken von akademischen währungspolitischen Vorschlägen verschiedenster Art; aber es lohnte sich kaum, auf deren Diskussion viel Kraft zu verschwenden. Nixon würde eher versuchen, die Folgen der inflatorischen Politik – die Johnson in Marsch gesetzt hatte – durch staatliche Lohn- und Preiskontrollen vor dem eigenen Volk zu vertuschen (was er am 15. August 1972 gegen den Rat von Shultz tatsächlich tat), als das Übel an seiner Wurzel zu packen. Es würde bei »benign neglect«, bei der »großzügigen Vernachlässigung« bleiben.
    Im Juli 1972 flog ich nach Bonn zurück, wohl wissend, daß auch uns in jenem Herbst Bundestagswahlen ins Haus standen; bis dahin konnten wir angesichts des massiven Andrangs von spekulativen Dollars aus aller Welt auf die international abermals aufwertungsverdächtige DM kaum mehr tun, als mit Hilfe staatlicher Devisenkontrollen eine weitere Ausweitung der Geldversorgung der Märkte mit DM und damit eine Verschlimmerung unserer Inflationsraten abzuwehren, so gut es eben ging. Der Dollar war damals DM 3,22 wert.
    Im weiteren Verlauf des Jahres 1972 und während der ersten Monate des Jahres 1973 entfaltete sich eine fast hektische internationale
Aktivität, um das Schlimmste zu verhüten. Die USA weigerten sich beharrlich, durch Gold- oder Devisenverkäufe den Dollar zu verknappen und dadurch seinen Wechselkurs zu stützen. Es gab einen engen Kontakt zwischen dem französischen Finanzminister Valéry Giscard d’Estaing und mir, ebenso mit Shultz und seinem hochbefähigten Vertreter Paul Volcker. Schließlich gründeten wir einen privaten Klub, der schnell große Effizienz bewies: die sogenannte Library Group. Sie bestand aus Shultz, Giscard, dem britischen Finanzminister Anthony Barber, dem japanischen Kollegen Takeo Fukuda und mir. Lange Zeit blieb sie der Öffentlichkeit – aber auch den Gremien des Weltwährungsfonds – verborgen; ihren nur uns bekannten Namen hatte sie von dem Ort, an dem zufällig das erste Treffen arrangiert worden war, nämlich der Bibliothek des Weißen Hauses.
    Sofern wir uns nicht zu fünft trafen, war Paul Volcker der wichtigste »go-between« (auch mein Staatssekretär Karl-Otto Pöhl mußte seinerzeit viel reisen). Man hatte Volcker ein Militärflugzeug zur Verfügung gestellt, das keine Fenster besaß; Pöhl und ich nannten es »das fliegende U-Boot«. Damals habe ich Volckers feste Überzeugungen und seine stets zuverlässigen sachlichen Kenntnisse sowie seine Umsicht schätzengelernt. Man verstand sich gut, obgleich er lange eine Grundposition seiner Regierung zu vertreten hatte, die wir nicht billigen konnten, und obwohl ich Schwierigkeiten hatte, seinen Dialekt zu verstehen – ich hielt Volcker lange für einen Südstaatler, was ganz falsch war, denn er stammte aus New Jersey.
    Volcker ist später in den Dienst des amerikanischen Zentralbanksystems getreten. Er wurde zunächst Präsident der Federal Reserve Bank in New York und später Chairman des Federal Reserve Board in Washington; das war eine Parallele zu Pöhl, der Präsident der deutschen Bundesbank wurde. Schon damals aber habe ich Volcker seiner unbeugsamen Stetigkeit wegen – vor allem während der zweiten und dritten Dollarkrise – immer als einen Leuchtturm in den Turbulenzen der ökonomischen Politik bewundert. Später, während der Krise der Haushaltspolitik der Reagan-Administration, wurde er rundheraus zum ökonomischen Staatsmann der USA.

    Durch seinen Einsatz zugunsten der Menschen in den unterentwickelten Ländern wurde Robert McNamara für Schmidt zum Symbol des sozialen Idealismus der amerikanischen Ostküste (Aufnahme Oktober 1983).
    Ein Leuchtturm in den Turbulenzen der Weltwährungspolitik und einer der wichtigsten Vermittler war Paul Volcker (unten Mitte, links Fred Bergsten; Aufnahme April 1985).

    Die politische Führung der USA hatte sich zu Anfang der siebziger Jahre von Shultz’ Vorgänger

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