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Menschen und Maechte

Menschen und Maechte

Titel: Menschen und Maechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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uns wieder, Shultz als privater Emissär von Präsident Ford. Dann vergingen sieben Jahre, bis Shultz nach einer erfolgreichen Tätigkeit an der Spitze von Bechtel, der größten Ingenieurfirma der Welt, im Juni 1982 in die amerikanische Regierung zurückkehrte, diesmal als Außenminister.
    Wenige Tage nach seiner Ernennung versuchte der Londoner »Economist«, sich in meine Lage als Bundeskanzler zu versetzen. In einem Artikel, der in Form eines Briefes an mich verfaßt war, hieß es: »Nach vier Jahren wachsenden Erschreckens über amerikanische Unbeständigkeit unter Präsident Carter haben Sie achtzehn Monate zunehmender Irritation durch Präsident Reagan erlebt … aber jetzt hat einer Ihrer ältesten Freunde das State Department übernommen. Zwar ist er noch kein außenpolitischer Fachmann; aber er ist äußerst vernünftig, viel herumgekommen, hat überall in der Welt ausgezeichnete Kontakte, ist humorvoll – und durchaus kein so großer Kompromißler, wie jedermann glaubt, eher entschlossen und zugleich schlau … Er hat selten Versprechungen gemacht, aber er hat seine Versprechen immer gehalten. Sie hoffen, dies könne sich abermals bewähren … Daß George jetzt bei Reagan ist, mag für Sie ein Anlaß sein, einen neuen Anfang zu machen.«
    In der Tat – so ähnlich habe ich im Sommer 1982 empfunden. Privat waren wir ohnehin für Ende Juli 1982 in seinem Haus in Palo Alto verabredet; als ich dort eintraf, war George inzwischen als Außenminister bestallt, und der Senat hatte seiner Ernennung ohne eine einzige Gegenstimme zugestimmt. Wir hatten mehrere schöne Tage für uns; Obie Shultz – der Spitzname ist wohl eine Verballhornung ihres Mädchennamens O’Brien – ist eine umsichtige Gastgeberin. Wir redeten über Gott und die Welt; abends kamen meist Freunde oder andere Gäste, ein oder zwei Nächte waren auch Henry Kissinger und Harry Lee Kuan Yew zu Gast. Kurz gesagt: es war ein wohltuendes Treffen alter Freunde. Nachts pflegten George und ich eine halbe Stunde in seinem heißen Whirlpool im Garten zu sitzen und zu entspannen. George stellte viele Fragen, die ich so beantwortete,
wie wir es immer gehalten hatten: freimütig, ohne Rücksicht auf taktische Erwägungen oder Prestige. Ich gab ihm einen einzigen Ratschlag: »George, vergiß eines nicht: Dein Präsident kann es sich nicht leisten, im Laufe einer Präsidentschaftsperiode drei Außenminister zu ernennen. Du bist also sehr stark, wenn es in einer wichtigen Frage verschiedene Meinungen geben sollte.« Mein Freund hat daraufhin bloß gelächelt – und wir haben über uns die Sterne im klaren Sommerhimmel der Bay Area betrachtet.

    Im Juli 1982 lag die erste Ölpreisexplosion der Jahre 1973/74 schon fast ein Jahrzehnt zurück, aber die Auswirkungen der zweiten Ölpreisexplosion von 1979/80 waren noch überall zu spüren. Als wir im März 1973 zu einem weltweiten System freier Wechselkurse übergegangen waren, hatten wir diese Explosionen nicht vorhergesehen. Aber wir hatten im Frühjahr 1973 immerhin darin übereingestimmt, daß die geld- und währungspolitischen Entwicklungen einen erheblichen Einfluß auf die Handelspolitik wie auch auf die Energieversorgung der Welt haben würden und daß sie deshalb als Fragen von weltpolitischer Qualität angesehen werden müßten. Shultz und ich kamen 1973 überein, sie bei zukünftigen internationalen Konferenzen »unter dem Aspekt ihrer überragenden außenpolitischen Bedeutung« behandeln zu wollen. Shultz schlug im März 1973 vor, sich öffentlich dahingehend auszusprechen, bei der allgemeinen Freigabe der Wechselkurse handele es sich um ein zeitweiliges, vorübergehendes Arrangement; die Beteiligten gingen von einer späteren Rückkehr zu festen Wechselkursparitäten aus. Allerdings setzte die Konstruktion eines neuen, auf feste, aber anpassungsfähige Paritäten gegründeten Weltwährungssystems voraus, daß sich vorher die Devisenmärkte auf neue Paritätsniveaus einpendeln würden. Auch hinsichtlich unseres weiteren Vorgehens verständigten wir uns: Im Laufe der Jahre 1973 und 1974 sollte im Rahmen des Weltwährungsfonds (IWF) und seiner Gremien die neue Weltwährungsordnung entwickelt werden.
    Tatsächlich aber führte dann der Yom-Kippur-Krieg dazu, daß das bis dahin nicht sehr erfolgreiche OPEC-Kartell unter arabischer Führung seine Verkaufsmengen drastisch herabsetzte, um den
Westen zu einer Änderung seiner Nahostpolitik zu zwingen. Daraufhin stiegen die Ölpreise steil an und

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