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Menschen und Maechte

Menschen und Maechte

Titel: Menschen und Maechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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einer verzweifelten Situation. Auch Mario Soares, der mir ein mutiger Mann zu sein scheint, könnte damit kaum fertig werden [Soares war 1974, nach seiner Rückkehr nach Portugal, zunächst Außenminister geworden, er regierte das Land von Juli 1976 bis 1978]. Die Kommunisten sind zwar gut organisiert, aber wirtschaftlich müssen sie sich ganz auf sowjetische Hilfe verlassen. Ich glaube nicht, daß die Sowjetunion über längere Zeit bereit sein wird, wirtschaftliche Hilfe in großem Stil für Portugal zu leisten.«
    Kissinger: »Die öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen den Kommunisten und den Sozialisten haben immerhin den Vorteil, daß keine Volksfrontideen aufkommen.«
    Ford: »Was können die USA jetzt Nützliches zur Entwicklung beitragen?«
    Schmidt: »Eine offene Einmischung der Sowjetunion in Portugal verhindern. Allerdings ist Moskau bis jetzt eher vorsichtig und schickt lieber Rumänien oder die DDR vor.«
    Kissinger: »Das ist richtig. Aber für die Allianz hätte auch eine Art von rumänischem oder jugoslawischem Kommunismus gefährliche Wirkungen.«
    Ford: »Wie würden die Europäer reagieren, falls sich die Azoren von Portugal lösten und ihre Unabhängigkeit erklärten?«
    Schmidt: »Die osteuropäischen Propagandamaschinen würden das als Ergebnis amerikanischer Einmischung darstellen. In Westeuropa dagegen würde eine Lösung der Azoren dann akzeptiert werden, wenn die Lage in Lissabon unhaltbar geworden sein sollte. Heute ist das aber nicht der Fall. Deshalb würde gegenwärtig eine
Unabhängigkeitserklärung der Azoren in westeuropäischen Augen nicht gerechtfertigt sein.«
    Ich sagte mit alledem nichts anderes, als was die Meinung der meisten meiner europäischen Kollegen war. Wir hielten die Chancen für eine demokratische Entwicklung vor allem in Spanien für gut – und wir unterstützten alle demokratischen Parteien und Gewerkschaften nach Kräften. Der Premierminister Adolfo Suárez und der Oppositionsführer (und spätere Ministerpräsident) Felipe Gonzalez, vor allem auch König Juan Carlos haben eine ausgezeichnete Rolle gespielt. Heute ist vom Francismus nur noch wenig zu spüren; Spanien ist inzwischen sowohl Mitglied der Nordatlantischen Allianz als auch der Europäischen Gemeinschaft geworden.
    In Portugal lag der Fall etwas anders, denn das Land war von Anfang an Mitglied der NATO. Aber seit dem Ende der Diktatur Salazars und zuletzt unter Caetano war die portugiesische Revolution innenpolitisch weit in den Kommunismus abgedriftet. Einige der Militärs, die für Portugal in den Gremien des Bündnisses und der NATO auftraten, äußerten erstaunlich naive, zum Teil vulgärmarxistische Ansichten. Das galt auch und besonders für Regierungschef Gonçalves und das Staatsoberhaupt Costa Gomes. Ich konnte deshalb gut verstehen, daß Ford und Kissinger dem Lissaboner Regime die kalte Schulter zeigten; aber wir hatten auch im Falle Portugals durchaus noch Hoffnungen auf eine demokratische Entwicklung, wenn auch die östlichen Versuche, das ohnehin starke kommunistische Element in der Regierung zu stabilisieren, unverkennbar waren. Auch Portugal ist inzwischen Mitglied der Europäischen Gemeinschaft geworden, nachdem das dilettantische, halbkommunistische Regime 1976 durch Mario Soares abgelöst worden war. Allerdings macht die innere Entwicklung Portugals bisher nicht immer einen ähnlich gefestigten Eindruck wie diejenige Spaniens.
    In beiden Fällen haben wir in Bonn auf positive Entwicklungen gesetzt und dazu beizutragen gesucht, während man in Washington skeptisch war. Aber unter europäischem Einfluß verzichteten Ford und Kissinger darauf, die ihnen naheliegend erscheinenden Konsequenzen tatsächlich zu ziehen. Bisher hat die Entwicklung auf
der iberischen Halbinsel der europäischen Einschätzung der Lage recht gegeben. Aus ähnlichen Erwägungen erschien es mir später richtig, Tendenzen in Europa entgegenzutreten, die angesichts der Rückkehr der Türkei zu einem militärischen Regime die Türken aus dem Bündnis herauskomplimentieren wollten; ebenso entschieden trat ich amerikanischen Tendenzen entgegen, angesichts destruktiv und provozierend wirkender Maßnahmen Papandreous Griechenland aus der NATO drängen zu wollen.
    Natürlich waren die Probleme der iberischen Halbinsel nicht der wichtigste Gegenstand der Gespräche, die zwischen der Ford-Administration und der Bundesregierung erörtert wurden. Ich bin hier nur deshalb darauf eingegangen, weil es – von einer Ausnahme

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