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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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sich. Hier oben war er als Kind Kanu gefahren. Sie hatten auf diesem alten Hulk gespielt, waren von Stechmücken gepeinigt worden und hätten beinahe den Gezeitenwechsel versäumt. Damals hatte es dort ein Ruderhaus gegeben. Er starrte mit zusammengekniffenen Augen hinüber. Dort stand noch immer ein Ruderhaus. Nichts änderte sich. Er korrigierte sich in Gedanken. Menschen veränderten sich. Er veränderte sich.
    Der Zug fuhr wieder zwischen Bäumen, dann zwischen feuchten Felsklippen entlang und nahm eine Abkürzung über eine Flußschleife. Riesige Farne streiften die Wagenfenster. Ein Wasserfall tauchte auf, weiß schimmernd auf grünem Moos, und war im nächsten Augenblick wieder verschwunden. Die Felsklippen lehnten sich gegeneinander, vereinigten sich oben. Nach der Düsternis des Tunnels wirkte das Zwielicht des Flußtals so hell wie am Tag. Ein Reiher flog schwankend auf riesigen Flügeln heran und suchte nach einem Platz, wo er sich niederlassen konnte. Daniel atmete seine Kindheit ein. Hier war sie nicht so schlecht gewesen. Hier war er vielleicht auch nicht so schlecht gewesen.
    Der Zug schwankte leicht an einer Abzweigung, der zu den Brandt-Laboratorien führte. Von hier an bis zum Meer hinab war der Windstrohm ausgebaggert worden und wurde im Winter eisfrei gehalten, und ein schickes Forschungsschiff der Firma, die Schornsteine in den Brandt-Farben Blau und Weiß, lag im Kanal vor Anker. Einst hatte Daniel geglaubt, bei Brandt einen Job zu bekommen, wie sein Vater. Aber Papa hatte einen Universitätsgrad – und selbst dann, sieh mal, was die Arbeit bei Brandt aus ihm gemacht hatte! Man mußte entweder sechs Doktortitel haben oder im Marketing top sein.
    Am jenseitigen Flußufer lagen Häuser zwischen den Bäumen. Ihre Fenster leuchteten wie Lichtpunkte, und unten auf Höhe des Wassers strahlten die Girlanden der farbigen Lampen auf der Mole des Yacht-Clubs, deren Spiegelung im Wasser durch die unbestimmbaren Formen der Yachten reicher Männer verdeckt wurde. Das war erstklassiges Zeugs, Zeugs für bewaffnete Wächter, erstklassiger sogar als der städtische Yacht-Club mit seiner zweihundertjährigen Geschichte. Neiderfüllt war Daniel herangepaddelt. Die Wächter hatten ihn durch Rufe verscheucht, aber niemand konnte ihn daran hindern, neidisch zu sein.
    Seine Fahrt war fast vorüber. Die strahlend erleuchteten Molen kamen in Sicht. Ein Frachter mit japanischer Flagge wurde gerade vertäut, dicke Schläuche ergossen sich in seinen vorderen Laderaum. Jahrhundertelange Forschung, sagte Papa, und für eine Vielzahl von Pharmazeutika gibt es noch immer keinen besseren Grundstoff als die hiesige Tonerde. Als Daniel ein junger Bursche gewesen war, hatte auf einem weiten Gebiet rings um die Molen dick der weiße Staub gelegen. Er trocknete einem den Mund aus, wenn man ihn aufhob und daran leckte. Jetzt, da die Gruben allmählich erschöpft waren, durfte kein Gran entweichen.
    Der Zug fuhr ratternd über weitere Weichen, vorüber an der verwirrenden Maschinenlandschaft und hinein in einen letzten kurzen Schwall intensiver Dunkelheit, ehe er vor dem Bahnhof verlangsamte. Daniel stand auf und setzte sich den Rucksack auf. Niemand würde ihn abholen. Er hatte behaupten können, seine genaue Ankunftszeit nicht zu wissen. Er wollte wirklich nicht, daß ihm Geplauder die ersten Augenblicke verdarb.
    Der Zug blieb stehen. Er trat auf den Bahnsteig hinab und ging stampfenden Schritts zum Bahnhofsgebäude hinüber. Es war nach acht, und die Straße war verlassen. Ein einziges Methanol-Taxi wartete an der gelben Linie. Er mied es und machte sich auf den Weg in die Stadt. Den Rücken gerade gehalten ging er federnd dahin, den Rucksack auf den Schultern.
    Er war daheim. Dies waren seine Tage in der Schule. Im Cafe ›Zum Neuen Jahrhundert‹ stippte an einem Tisch ein blasses junges Wrack – dem Aussehen nach hatte er AIDS – Brot in seinen Becher mit etwas darin, und die Bedienung hinter der Theke sah Fernsehen. Er marschierte weiter. Nichts änderte sich. Er veränderte sich.
    Die Stations-Disco hinter dem Cafe hatte geschlossen. Sie kündigte eine Show für den morgigen Abend an, Samstag, die um 20 Uhr 30 beginnen würde. Alle wären willkommen, ganz bestimmt gäbe es weder Alkohol noch Drogen im Lokal. Er ging nicht oft in Discos. Nicht mehr. In der Armee gab es Besseres zu tun. Die Armee hielt einen auf Trab.
    Er ging die Front Street entlang, an der Disco und dem Back Quay vorüber, durch die Stadt und über die

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