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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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wir diese Schulden je bezahlen sollten. Ich hatte ja keine Ahnung, was noch alles auf mich zukommen würde.

Die Wende
    Im Frühjahr 1989 habe ich mein Kopftuch abgelegt. Das war nicht meine Idee. Nein, es war Mustafas! Eines Tages sagte er zu mir: »Jetzt nimm endlich dein Kopftuch ab. Wir sind hier in Almanya , da brauchst du deinen Kopf nicht zu bedecken.« Das hat mich ziemlich verwundert. Denn damals, als ich mich mit Vater wegen des Kopftuchs gestritten habe, hatte er sich herausgehalten. Wieso Mustafa jetzt darauf bestand, es abzulegen, weiß ich nicht. Vielleicht hatte er den Abstand gebraucht. Denn wir waren jetzt immerhin schon zwei Jahre weg von zu Hause und lebten unser eigenes Leben. Freilich mischten sich die Schwiegereltern immer noch ein. Sie bestimmten, wann die ganze Familie in Urlaub fuhr und redeten auch sonst gerne mit. Aber in der Kopftuchfrage haben sie sich nicht geäußert. Als ich eines Tages ohne vor ihnen stand, sagte meine Schwiegermutter gar nichts, nur Vater war ein paar Tage böse auf mich. Er sprach nicht mit mir und zeigte mir deutlich, dass er mit dieser Entscheidung nicht einverstanden war. Aber ich glaube, da ging es weniger um die Religion als darum, dass ich etwas gegen seinen Willen tat.
    Es war jedenfalls ein komisches Gefühl, als ich eines Tages ohne Kopfbedeckung auf die Straße ging. Jetzt, zum ersten Mal seit mehr als zwölf Jahren, sollte ich mein schönes, langes, schwarzes Haar in der Öffentlichkeit zeigen. Es fühlte sich gut an. Auch die Kolleginnen und Freundinnen fanden es gut und haben mir in den ersten Tagen immer wieder bestätigt, wie hübsch und jung ich aussehen würde. Ich arbeitete inzwischen wieder in meiner alten Firma, da verdiente ich mehr Geld. Mustafa hatte dort auch angefangen, nachdem der zweite LKW ruiniert war. Jetzt mussten wir beide arbeiten, um die Schulden zurückzahlen zu können.
    Aber unser Verdienst reichte nicht aus. Nach der Miete, den Nebenkosten und der monatlichen Rate für den Kredit blieb kaum mehr etwas zum Leben. Damals habe ich noch einen Nebenjob angenommen. Jeden Abend fuhr ich mit der S-Bahn in den Nachbarort und putzte nach Feierabend in einer Metzgerei die Küche und den Imbissraum. Das war gutes Geld, das wir so dringend brauchten.
    Irgendwann in diesem Jahr kam ein Bescheid von der türkischen Armee. Wie alle anderen türkischen Staatsbürger, die im Ausland lebten, musste auch Mustafa seinen Reservedienst ableisten. Anstatt zu fahren, hätte man auch 10000 DM bezahlen können. Aber das Geld hatten wir nicht. Wie hätten wir uns das leisten können? Es war schon schwierig genug, einen Monat ohne seinen Lohn zu überleben, weil er sich unbezahlten Urlaub nehmen musste. In der Zeit hat uns die Schwiegermutter geholfen. Auch sie arbeitete inzwischen in der gleichen Firma und hat mich jeden Morgen mit dem Auto mitgenommen.
    Als Mustafa weg war, stellte ich fest, dass ich wieder schwanger war. Ich drehte fast durch. Ein viertes Kind? Das wollte, das konnte ich nicht bekommen. Auf gar keinen Fall. In diesen Wochen ging es mir sehr schlecht. Ich war ständig müde, und übel war mir auch. Krampfhaft suchte ich nach einer Lösung. Bei einem Besuch bei den Eltern erfuhr ich dann, dass auch meine beiden Schwägerinnen schwanger waren. Was für ein Zufall! Alle drei Schwiegertöchter erwarteten zur gleichen Zeit ein Kind. Aber eine von ihnen wollte das Kind nicht, sie wollte auch abtreiben. Sollte ich mit ihr in die Türkei fahren und es wegmachen lassen? Ich spielte es immer wieder durch und kam – immer wieder – zum gleichen Schluss: Dieses Kind konnte ich nicht kriegen, auf keinen Fall. Es waren fürchterliche Wochen. Aber bevor ich eine endgültige Entscheidung traf, musste ich auf Mustafa warten.
    Als er endlich wieder zu Hause war, teilte ich ihm mit, wie es um mich stand. Inzwischen war ich in der zehnten Woche schwanger. Ich musste mich also beeilen. Aber von einer Abtreibungwollte Mustafa nichts wissen. Im Gegenteil, er wollte dieses Kind unbedingt haben. Wir waren gerade bei den Eltern zu Besuch und eine der beiden Schwägerinnen stand kurz vor der Abreise nach Istanbul. Wieder schnitt ich das Thema an und fragte Mustafa, ob ich doch mitfahren und auch abtreiben solle. Da brach die Hölle los. Er ist furchtbar wütend geworden, schrie herum und fing an, auf mich einzuschlagen. Mit einem eisernen Griff hielt er mich am Handgelenk fest, seine andere Faust ließ er auf mich niederprasseln. Ich versuchte aus dem Haus zu

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