Mick Jagger: Rebell und Rockstar
Welt zu Füßen liegt, stürzten sie ab und landeten unsanft.
Gegenüber Cecil Beaton gab Mick später zu, einmal pro Monat selbst LSD genommen zu haben, aber nur in einer »entspannten Atmosphäre« (so zumindest steht es in Beatons Tagebuch). »Sie können es nicht mehr aus der Welt schaffen«, soll er Beaton in einem privaten Gespräch gesagt haben. »Es ist wie bei der Atombombe. Wurde etwas erst einmal erfunden, verschwindet dieses Wissen nicht mehr. Und LSD herzustellen ist zudem auch noch sehr einfach.« Wie immer waren es die Beatles, die neue Wege beschritten und als Erste öffentlich zugaben, mit LSD experimentiert zu haben. Paul McCartney, der auf dem Höhepunkt des »Summer of Love« gerade fünfundzwanzig wurde, versuchte ebenso wie Lennon allmählich sein Pilzkopf-Image loszuwerden. Einem Journalisten gegenüber gab er zu, selbst LSD genommen zu haben. Es folgten eine Reihe gut gemeinter, aber doch ziemlich naiver Erklärungsversuche, was das Ganze nicht besser machte. So stammelte McCartney: »Sie sprechen über etwas, das gerade neu ist. Sie sprechen über etwas, wovon die Leute noch keine wirkliche Ahnung haben. Die Leute neigen dazu, diese Dinge schlecht zu machen und sagen ›Spinner‹, ›Psychedelic‹ und so was. Das ist genau das, was hier gerade passiert, und sie versuchen einfach nur, das irgendwie zu verstehen. Wenn Ihnen das Wort also das nächste Mal begegnet, irgendein neues, unbekanntes Wort wie ›Psychedelic‹, ›Drogen‹, all diese Dinge, ›Freak Out Music‹, halten Sie es nicht sofort für schlecht, denn Ihre ersten Reaktionen sind immer von Angst geprägt.«
»Glauben Sie, dass das Ihre Fans ermutigen wird, selbst Drogen zu nehmen?«, fragte ihn ein anderer Journalist mit kaum verhohlener Häme.
»Ich glaube nicht, dass es irgendeinen Unterschied macht. Ich glaube nicht, dass meine Fans Drogen nehmen, nur weil ich es getan habe.« Dass Tausende Beatles-Fans den Kleidungsstil und die Frisuren der Fab Four kopierten, sich Schreine errichteten aus Merchandise-Artikeln, die ihre Konterfeis zierten, in College-Schlafsälen »Tomorrow Never Knows« von Revolver hörten, während zugleich der süßliche Geruch von Marihuana den Raum erfüllte, schien diesem netten Beatle entgangen zu sein. Möglicherweise interessierte es ihn auch gar nicht mehr. Immerhin war er ja inzwischen beliebter als Jesus.
Wie die meisten anderen in der Szene waren die Stones mit LSD durchaus vertraut, bis 1967 hatten sie sich zu diesem Thema aber nur indirekt geäußert. In »19th Nervous Breakdown« heißt es: »On our first trip I tried so hard to rearrange your mind.« Der Aftermath -Track »Going Home« ist ein psychedelischer Bericht von jemandem, der nach einem langen »Trip« nach Hause zurückkehrt. Faithfull zufolge, die inzwischen mit Jagger in einem schicken Stadthaus am Cheyne Walk lebte, trat Micks natürliches Führungstalent unter dem Einfluss der Droge zutage. Er trainierte mit Acid seinen Geist wie er mit Sport seinen Körper trainierte. Marianne Faithfull fand Mick dann »ruhig und beherrscht«. Den Stones, die ständig irgendwelche Machtkämpfe austrugen, diente LSD quasi als Band, das sie zusammenschweißte. Anfangs zogen sich Keith und Brian die Trips gemeinsam rein, doch Keith konnte kaum verhehlen, dass sich durch seine Gefühle für Anita eine Kluft zwischen ihnen aufgetan hatte. Von dem Geldsegen, der ihrem neuen Manager Allen Klein zu verdanken war, hatte sich Keith Redlands gekauft, ein reetgedecktes Landhaus in Surrey. (Wenige Jahre später erwarb Mick ein eigenes Anwesen in Newbury.) Mit seinen grünen Hügeln, den üppigen Blumenbeeten und dem alten Gemäuer war es die perfekte Location für ein psychedelisches Idyll. Fernab der Stadt, unter einem klaren Sternenhimmel mit dem Kopf voller explosiver Ideen, konnte man leicht versucht sein zu glauben, dass sich die Welt zum Besseren wandelte, und so ließen die inzwischen erfolgverwöhnten Stones fatalerweise alle Vorsicht fahren. Sie benahmen sich wie der Adel eines neuen Zeitalters, ohne zu erkennen, wie sehr es die Londoner Strafverfolgungsbehörden und ihr weitaus gemeinerer und effektiverer Bündnispartner, die Panik verbreitende Boulevardpresse, auf sie abgesehen hatten.
An diesem Abend im Januar machte im Blaise’s ein Gerücht die Runde. »Ein Rolling Stone ist hier.« Ein ahnungsloser News of the World -Reporter war überzeugt, Mick Jagger an der Bar des Clubs entdeckt zu haben. Brian Jones, den er für Mick gehalten
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